Staatlicher Diebstahl im Kongo

Militärgericht spricht der Familie von Präsident Kabila 36 Millionen Dollar aus der Staatskasse zu. Gleichzeitig werden die lukrativen Staatsbetriebe verschachert

BERLIN taz ■ Je näher in der Demokratischen Republik Kongo Wahlen rücken, desto ungenierter sichern sich die derzeitigen Machthaber Ansprüche am Reichtum des Landes. Ein Militärgericht im südkongolesischen Lubumbashi sprach vergangene Woche der Familie von Präsident Joseph Kabila 36 Millionen Dollar zu, zahlbar von Kongos Regierung. Der kuriose Beschluss war Teil eines Urteils im Rahmen eines Mordprozesses.

Espérance Kabila, die Tante von Präsident Joseph Kabila, wurde am 14. Juni in ihrem Haus in Lubumbashi vom Chef ihrer Leibwache, Oberst Mwamba Takiriri, erschossen. Der Mord im Schlafzimmer wurde allgemein privatem Streit zugeschrieben. Takiriri wurde nach 38 Tagen Gerichtsverhandlung zum Tode verurteilt. Außerdem soll er dem Witwer der Toten 280.000 Dollar Schadenersatz zahlen.

Dem fügte das Gericht allerdings jetzt 36 Millionen Dollar Schadenersatz seitens des Staates dazu, denn der Staat habe seine Pflicht zum Schutz der Präsidententante nicht wahrgenommen. Damit entsteht der Familie Kabila ein Anspruch gegenüber dem Staat, der rund fünf Prozent der kompletten jährlichen Staatsausgaben des Landes entspricht. In den letzten Wochen haben ausländische Diplomaten demgegenüber immer wieder kritisiert, dass die Regierung nicht einmal ihre eigenen Soldaten bezahlt und damit Instabilität schürt.

Das Urteil fiel am gleichen Tag, als Kongos Übergangsregierung unter Kabila sämtliche Staatsunternehmen neu mit Parteigängern der diversen in der Allparteienregierung vertretenen ehemaligen Kriegsparteien besetzte. Weniger als zehn Monate vor den geplanten freien Wahlen wurde damit der Verbleib der lukrativsten Posten des Kongo unter den Ausplünderern des Landes gesichert: Die von Kabila geführte Partei PPRD (Volkspartei für Wiederaufbau für Demokratie), die einst von Ruanda unterstützte Rebellenbewegung RCD (Kongolesische Sammlung für Demokratie) und die einst von Uganda unterstützte MLC (Kongolesische Befreiungsbewegung).

An die MLC, deren Führer Jean-Pierre Bemba aus einer der reichsten Familien des Landes stammt, gehen einträgliche Schaltstellen wie die Leitung der staatlichen Ölfirma Cohydro, der das Tankstellennetz des Kongo gehört, und die für die Zertifizierung von Diamantenexporten zuständige Kontrollbehörde CEEC. Die RCD kriegt unter anderem die staatliche Elektrizitätsgesellschaft SNEL und die lukrative Zollbehörde Ofida. Die PPRD behält die strategisch wichtige Luftraumbehörde RVA, der Kongos Flughäfen unterstehen, und das Staatsfernsehen RTNC.

Ausgenommen von der Aufteilung ist Kongos größte Bergbaugesellschaft „Gécamines“, der die gigantischen Kupfer- und Kobaltminen der Südprovinz Katanga gehören. Ihre Leitung wurde vorab im Einvernehmen mit der Weltbank der französischen Beraterfirma Sofreco übertragen, im Hinblick auf eine spätere Zerschlagung und Privatisierung. Die Verteilung der Unternehmensleitungen entspricht dem geltenden Friedensabkommen von Pretoria aus dem Jahr 2002 und ist Ergebnis monatelanger Verhandlungen.

Dass das jetzt passiert, wo doch schon nächstes Frühjahr die jetzige Regierung ihre Macht zugunsten eines gewählten Nachfolgers verlieren soll, stößt bei unabhängigen Beobachtern auf heftige Kritik. Letztes Jahr hatte eine parlamentarische Untersuchungskommission im Kongo befunden, dass die heute regierenden Kriegsparteien die staatlichen Unternehmen des Landes schlimmer ausplündern als zu Zeiten der Mobutu-Diktatur. Nun titelt Kongos führende Zeitung Le Potentiel ihren Kommentar einfach: „Guten Appetit!“ DOMINIC JOHNSON