Kurz und auch moralisch gut

Im Hamburger Metropolis findet zwischen dem 8. und 10. November das „4. Klappe auf! Kurzfilmfestival“ statt – gebärden- und schriftgedolmetscht, mit Untertiteln, autismusfreundlich, komplett barrierefrei und überhaupt: radikal inklusiv

Von Wilfried Hippen

Auch für Filmfestivals gab es so etwas wie Gründerjahre. Die meisten regionalen Festivals wurden in den 1980er- und 1990er-Jahren aus der Taufe gehoben, und so sind viele jetzt um die 30 Jahre alt. Neugründungen sind dagegen selten – eine davon war im Jahr 2013, als der Filmemacher und Sozialtherapeut Andreas Grützner das Projekt „Klappe auf!“ iniziierte.

Grützner machte dabei gesellschaftliche Inklusion konsequent zum Prinzip, denn seine Überzeugung ist, dass auch Menschen mit körperlichen Behinderungen und psychischen Erkrankungen in einem Team ein Filmfestival organisieren und so selbstbestimmt am kulturellen Leben der Stadt teilnehmen sollten.

Mit einem filmbegeisterten inklusiven Team stellte er die erste Ausgabe des Kurzfilmfestivals auf die Beine, das drei Tage lang im Hamburger Kino Metropolis stattfand. Schirmherr war Fatih Akin, und der Erfolg war so groß, dass „Klappe auf!“ inzwischen eine Institution ist. Es findet alle zwei Jahre statt, ist also eine Biennale.

Das Motto der diesjährigen Ausgabe ist „Befindlichkeiten und andere Katastrophen“, also so allgemein gehalten, dass Filme mit einer großen inhaltlichen und stilistischen Bandbreite gezeigt werden können. Im Programm laufen Kurzspielfilme, Animationen und Dokumentationen. Einzige Einschränkung: Die Filme sollten nicht länger als 15 Minuten dauern.

Im Metropolis sind alle Veranstaltungen barrierefrei zugänglich und die Filme werden in einer barrierefreien Fassung gezeigt. Es gibt also immer eine, oft vom Festival selber produzierte Autode­skription und Untertitelung. Bei den Publikumsgesprächen werden Gebärdensprach- und Schriftdolmetscher zum Einsatz kommen. Eine fünfköpfige Jury, zu der Mischa Gohlke, ein Musiker mit einer schweren Hörschädigung, gehört, vergeben drei Preise und es gibt auch einen mit 1.000 Euro dotierten Publikumspreis.

In diesem Jahr gibt es zusätzlich zu den fünf Wettbewerbsprogrammen, in denen je sechs bis acht Kurzfilme gezeigt werden, einen thematischen Schwerpunkt mit dem „Autismusfreundlichen Programm“. Dort läuft etwa die Dokumentation „Wenn Veränderung ängstigt“ von Christian Landgrebe über den Alltag eines autistischen Fotografen.

Bei einem Film steht „Klappe auf“ in einer Reihe mit den Festivals in Venedig, Sundance und dem Dok Leipzig. Dorthin wurde die Kurzdokumentation „All Inclusive“ der Schweizer Filmemacherin Corinna Schwingruber Ilic eingeladen: eine Realsatire über den Kreuzfahrtmassentourismus, die ohne ein gesprochenes Wort nur in Bildern erzählt. Dieser Film gehört natürlich auf das inklusive Festival, auch wenn der Begriff „Inclusive“ hier eine ganz andere Bedeutung hat.