Nazi-Aufmarsch mit Nachspiel

Vor dem Arbeitsgericht ist eine Antifaschistin wegen Widerstand gegen die Polizei angeklagt

Die Staatsanwältin wollte der Einstellung des Verfahrens nicht zustimmen

Von Peter Nowak

Der neonazistische Hess-Aufmarsch vom 18. August 2018 beschäftigt noch immer die Gerichte. Am Donnerstag ist eine Antifaschistin aus Friedrichshain, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen will, wegen Widerstand gegen und Beleidigung von PolizistInnen angeklagt. Sie hatte im letzten Jahr dagegen protestiert, dass der rechte Aufmarsch am Todestag des Hitler-Stellvertreters Rudolf Hess überraschend von Spandau in die Stadtteile Friedrichshain und Lichtenberg verlegt wurde.

2017 war das linke Bündnis Spandau gegen Rechts mit dem Versuch gescheitert, den alljährlichen Nazi-Aufmarsch verbieten zu lassen. Innensenator Andreas Geisel (SPD) hatte damals gesagt, die freiheitlich-demokratische Grundordnung gelte „leider auch für Arschlöcher“. Hess hatte 1987 im Kriegsverbrechergefängnis in Spandau Suizid begangen. In rechten Kreisen hält sich allerdings hartnäckig die Erzählung, dass er ermordet worden sei.

Die jetzt angeklagte Frau war in der Nähe des U-Bahnhofs Magdalenenstraße festgenommen worden. Am ersten Verhandlungstag, der vergangene Woche stattgefunden hatte, wurden sechs PolizistInnen vernommen. Die Richterin hatte die Einstellung des Verfahrens angeregt. Sie sah nach der Sichtung des Videomaterials, das die Festnahme zeigt, die Vorwürfe gegen die Angeklagte nicht bestätigt.

Doch die Staatsanwältin wollte einer Einstellung des Verfahrens nicht zustimmen, ohne sich vorher mit der politischen Abteilung der Polizei abgestimmt zu haben. Weil der Kontakt trotz mehrerer telefonischer Versuche nicht zustande kam, wird der Prozess nun fortgesetzt.

Zuvor hatte sich die Angeklagte in einer Erklärung zum Prozess klar als linke Antifaschistin positioniert und ihren Protest im vergangenen Jahr verteidigt. In ihrer Erklärung schilderte die Frau auch ihre Gefühle und Eindrücke: „Gerade in der Zeit meiner Festnahme zwischen den U-Bahnhöfen Magdalenenstraße und S-Bahnhof Lichtenberg bot sich mir das Bild von ungehindert marschierenden Nazis auf der ostwärts führenden Straße und sie begleitenden Einsatzhundertschaften von Robocops auf der nach Mitte führenden vierspurigen Straße.“

Sie habe mit dem Skandieren zeigen wollen, dass viele mit dem Aufmarsch nicht einverstanden sind. Es reiche nicht, mit Konzerten gegen Nazis zu protestieren. Man müsse ihnen auch auf der Straße den Weg versperren, so die Frau.

Auch beim zweiten Termin will sie an ihrer offensiven politischen Prozessstrategie festhalten. Eine UnterstützerInnengruppe ruft zur Prozessbeobachtung auf. Heute um 14.30 Uhr geht es im Raum 572 des Amtsgerichts Tiergarten in der Turmstraße 91 weiter.