heute in hamburg
: „Sie landen wieder im Knast“

Vorträge über „Gefängnis, Gesundheit, Gesellschaft“ mit Karlheinz Keppler, Mathias Gehrcke und Dieter Ameskamp: 17 Uhr, Foyer der Justizvollzugsschule, Drehbahn 36, Eintritt frei

Interview Katharina Gebauer

taz: Frau Michels, warum ist die Gesundheit im Gefängnis so wichtig?

Maren Michels: Die Gesundheit ist Grundvoraussetzung für die Entlassung in ein straffreies Leben. Besonders die Kriminalisierung der Drogensucht ist problematisch, da sie meist in einem Drehtüreffekt resultiert.

Wie das?

Die meisten inhaftierten Drogensüchtigen kommen aus prekären sozioökonomischen Verhältnissen. Diese Krankheit ist durch Armut bedingt, zudem erfahren die Betroffenen meist Gewalt. Das Gefängnis isoliert zusätzlich, die Inhaftierten bekommen wenig Sonnenlicht und haben kaum Perspektiven. Dann kommen sie raus und landen wieder im Knast. Intravenös Drogensüchtige können an Hepatitis C erkrankt sein. Das ist zwar gut behandelbar, aber teuer. Der Vorteil einer Haft für diese Menschen ist nur, dass sie außerhalb der Haft schwer erreichbar sind, da sie selten zum Arzt gehen.

Das heißt, die Haft macht die Gefangenen doch nicht nur kränker?

Regelmäßig hört man: „Wäre ich nicht im Knast, wäre ich jetzt tot.“ Im Gefängnis bezahlt die Justizbehörde die hohen Kosten für Behandlungen. Das ist aber nicht nur Aufgabe der Justizbehörde, sondern der ganzen Gesellschaft: der Gesundheitsbehörden, Krankenkassen und Pharmaunternehmen. Jeder Inhaftierte sollte auf freiwilliger Basis geimpft und behandelt werden können. Die Drogensucht sollte kein Haftgrund sein, denn diese Menschen sind medizinisch krank. Sie machen jedoch gesetzlich Illegales und werden deshalb kriminalisiert.

Wie oft landen die an Drogensucht leidenden Gefangenen wieder in Haft?

Foto: privat

Maren Michels, 40, ist Sozialarbeiterin im Hamburger Fürsorgeverein von 1948 und arbeitet mit entlassenen Straftä­ter*innen.

80 Prozent der intravenös Süchtigen werden wieder inhaftiert. Das ist ein deutsches Pro­blem: In Großbritannien sind es 60 Prozent, in Portugal nur 20 Prozent.

Wie kann gesundheitliche Integration nach der Entlassung gelingen?

Die meisten Entlassenen sind nicht krankenversichert, bräuchten aber dringend eine Grundsanierung der Zähne. Zudem braucht es regelmäßige Gesundheitschecks und Drogenvermittlungen. Das sind Schritte, die auch schon in Haft getan werden könnten. Sind die Betroffenen dann nicht leistungsberechtigt und finden keinen Job, können sie nicht medizinisch versorgt werden. Der Konsum kleiner Mengen aller Drogen muss entkriminalisiert werden. Das würde zu einer gesünderen und weniger kriminellen Gesellschaft verhelfen.