Prozess um Giftmord lässt Hintermänner aus

Indonesiens Gericht interessiert Rolle des Geheimdienstes bei der Ermordung des Menschenrechtlers Munir nicht

BANGKOK taz ■ Fast ein Jahr nach der Vergiftung des indonesischen Menschenrechtlers Munir Said Thalib hat in Jakarta gestern der Prozess gegen seinen mutmaßlichen Mörder begonnen. Der Pilot der staatlichen indonesischen Fluggesellschaft Garuda, Pollycarpus Budihari Priyanto, ist angeklagt, dem damals 38-jährigen Munir während eines Fluges von Jakarta nach Amsterdam im September 2004 Arsen in den Orangensaft geschüttet zu haben. Indonesiens prominentester Menschenrechtler und Träger des Alternativen Nobelpreises verstarb kurz vor der Landung in den Niederlanden. Laut Autopsie hatte er mehr als 500 Milligramm Arsen im Körper. Pollycarpus war mit zwei Crewmitgliedern verhaftet worden.

Laut seinem Anwalt war der 44-jährige Pilot, der Munir zu sich in die Business Class geholt hatte, über die Mordanklage überrascht gewesen. Er habe schließlich kein persönliches Interesse am Tod Munirs gehabt. Die im Prozess wichtigste Frage dürfte sein, ob Pollycarpus die mutmaßlichen Drahtzieher des Giftmordes benennen wird.

Die von Munir 1998 gegründete „Kommission für die Verschwundenen und die Opfer von Gewalt“ (Kontras), die sich mit dem Machtmissbrauch von Indonesiens Militär beschäftigt, hatte mehrfach kritisiert, dass sich der Prozesse lediglich gegen eine Einzelperson richte.

Eine mit Zustimmung von Präsident Susilo Bambang Yudhoyono eingesetzte Untersuchungskommission hatte erklärte, dass der indonesische Geheimdienst BIN hinter dem Mord stecken könnte. Denn aus Unterlagen einer Telefongesellschaft ging hervor, dass Pollycarpus kurz vor und nach dem Mord mindestens 30 Handygespräche mit dem damaligen BIN-Vizechef Muchdi Purwopranjono geführt hatte.

Sämtliche Ermittlungen gerieten nachträglich zur Farce. Sowohl Muchdi, der zudem Exkommandeur der berüchtigten militärischen Spezialeinheit Kopassus ist, als auch dessen Vorgesetzter, der damalige BIN-Chef Makhmud Hendropriyono, ignorierten mehrfach Vorladungen, ohne dass ihnen bislang juristische Konsequenzen drohten. Offenbar sind die ehemaligen Geheimdienstler unantastbar. Anders sind die schlampigen Ermittlungen der Polizei und die zögerliche Haltung der Justiz nicht zu erklären.

Beobachter fürchten derweil um die Sicherheit von Munirs Witwe Suciwati und anderer Menschenrechtsaktivisten: Die Morddrohungen gegen sie haben sich gehäuft. NICOLA GLASS