Die Wahrheit: Tanz für Rugby-Zwerge
Neues aus Neuseeland: Nach der Niederlage der All Blacks bei der Rugby-WM trägt Aotearoa Trauer – und das treibt seltsame Blüten.
D as vorige Wochenende war ein langes und tragisches. Labour Day ist der Tag der Arbeit, so wie der deutsche 1. Mai – zwar ein Feiertag, aber diesmal war es ein Trauerspiel, nachdem England die All Blacks am Samstag in Japan so schmachvoll wie verdient aus der Rugby-Weltmeisterschaft gekickt hat. Dass das britische Team auch noch von einem Australier trainiert wurde, das schmerzt doppelt.
Sozialarbeiter und Polizisten können diese Woche die Ärmel hochkrempeln. Je mehr verloren wird, desto mehr wird statistisch gesoffen und auf Frauen eingedroschen. Als die All Blacks 2007 gegen die Franzosen im Viertelfinale rausflogen, gab es einen Ansturm auf Frauenhäuser. Das Hilfswerk The Homeworks Trust empfahl daher bei der vorletzten Weltmeisterschaft, eigene Frauenzonen auf den Tribünen einzurichten und Zuschauerinnen günstigere Taxifahrten anzubieten.
Da konnte man in all dem Elend am freien Montag nur noch ins Kino gehen und sich Taika Waititis Hitler-Komödie „Jojo Rabbit“ anschauen, um auf bessere Gedanken zu kommen – immerhin gab es schon schwärzere Perioden in der Menschheitsgeschichte.
Glücklich schätzen durfte sich auch jeder Fan, der nicht auf die gleiche Idee wie ein Mann aus Masterton gekommen war. Der hatte sich den Sieg, der nie stattfand, bereits eintätowiert. Shaun Pollard, der hauptberuflich Autos frisiert, trägt seit Beginn der Turniere ein feingesticheltes Abbild des Webb Ellis Cups auf dem gesamten Unterarm. Das ist der Rugby-Pokal, der alle vier Jahre an den Weltmeister verliehen wird. Vier Siege der All Blacks stehen dort untereinander, von denen jedoch nur drei stimmen: 1987, 2011, 2015 und 2019. Ist das nicht mindestens so schlimm wie der verhasste Name einer Verflossenen auf der Haut?
„Nein, keinerlei Bedauern“, sagt Pollard, der zum Gespött der englischen Presse geworden ist. „Das Tattoo sieht fantastisch aus. Am Ende stimmt halt nur ein Datum nicht.“ Seine Frau Lisa „liebe“ das Werk in Tinte. Und den Hexer-Vorwurf – dass er den Ausgang des Trauerspiels in Japan mit seinem allzu optimistischen Tattoo manifestiert habe – lässt er nicht auf sich sitzen. „Nicht meine Schuld. Ich bin nur eine kleine Person auf der ganzen Welt, die an die All Blacks glaubte.“
Glaube, Liebe, Hoffnung – damit ist es jetzt erst mal vorbei. Und verhext war der World Cup nicht wegen einer Tätowierung, sondern durch den vergurkten Haka vor dem Halbfinale, wie die Wahrheit diese Woche berichtete (taz vom 29. 10. 2019). Daher bleibt als logische Rettung nur noch Scott Robinson, Coach der Crusaders in Christchurch. Er ist der kiwianische Jürgen Klopp und hat drei Titel hintereinander geholt.
Wenn sein Team gewinnt, so wie zuletzt 19:3 im Juli gegen die Jaguares, dann macht Robinson vor Freude auf dem Rasen immer Breakdance. Das ist der neue Move oder die Art von Geisterbeschwörung, den die Rugby-Zwerge jetzt brauchen, um wieder zu Riesen zu werden.
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