Schnäppchen gestoppt

Die Quoten für chinesische Textilien sind bereits ausgeschöpft: Die billige Kleidung bleibt in den Häfen liegen. Kunden werden aber nicht vor leeren Regalen stehen

H  & M ist schon frühzeitig von China auf Indien und Kambodscha umgestiegen

BERLIN taz ■ Wer sich in nächster Zeit für den Herbst einkleiden möchte, muss auf manches Schnäppchen verzichten: Immer mehr Kategorien von Kleidungsstücken werden in den nächsten Wochen von einem vorläufigen Einfuhrverbot für chinesische Waren betroffen sein. Für Pullover und Strickwaren gilt dies bereits seit Mitte Juli, für Hosen seit vergangenen Montag, 16 Uhr ebenfalls. Und Importstopps für Blusen, T-Shirts, BHs, Bettwäsche und Leinengewebe dürften in Kürze folgen, „wahrscheinlich noch vor Monatsende“, sagte Julia Jungbauer vom Gesamtverband Textil und Mode gestern der taz.

Der Engpass bei Textilien aus China folgt aus einer Sonderregelung, auf die sich die EU im Frühjahr geeinigt hat. Anfang des Jahres war das Textilabkommen ausgelaufen, das den Handel mit Kleidern und Stoffen weltweit beschränkte. Daraufhin stiegen die Einfuhren aus dem Massenproduktionsland China so rapide an, dass Brüssel erneut Beschränkungen einführte: Bis 2008 dürfen Textilien nur so lange in die EU verkauft werden, bis eine bestimmte Jahresquote erfüllt ist. Dies ist nun der Fall – nicht etwa im Dezember, sondern schon Anfang August.

Dem EU-Beschluss ging ein erbitterter Streit mit China voraus; vor allem Portugal, Frankreich und Italien fühlten sich geschädigt. Die drei Mitgliedsländer wollen ihre heimische Produktion vor der Konkurrenz aus Fernost schützen. Deutschland dagegen hatte sich skeptisch gegenüber einem Einfuhrstopp gezeigt. Ist doch die deutsche Textilindustrie kaum betroffen: Sie hat längst auf Nischenprodukte gesetzt, etwa auf High-Tech-Stoffe für Luft- und Raumfahrt.

Der Importstopp trifft nicht nur die großen Ketten wie C & A oder H & M, sondern vor allem auch kleinere Modehäuser. „Kleine Firmen müssen ihre Kollektionen viel langfristiger planen. Sie haben schon vor Monaten bei den chinesischen Nähfabriken ihre Bestellungen aufgegeben“, so Junghans. Bei H & M dagegen „hält sich der Schaden in Grenzen“, sagte Sprecher Paul Darg gestern der taz. „Wir haben rechtzeitig vorausgesehen, dass die Quoten bald erfüllt sein würden, und sind auf andere Länder wie Indien und Kambodscha ausgewichen.“ Ein Drittel der H & M-Kollektion kommt aus China, ein weiteres Drittel aus anderen asiatischen Ländern. Was derzeit im Hafen liege und nicht in die EU eingeführt werden dürfe, lande schlimmstenfalls in konzerneigenen Lagern in der Schweiz und in Norwegen.

Dramatischer ist die Lage beim Modekonzern Gerry Weber aus Mönchengladbach: Laut Vorstandchef Gerhard Weber lagern derzeit 200.000 Pullover im Wert von 4 Millionen Euro beim Zoll; bei Esprit sind es gar Kleidungsstücke im Wert von 7 Millionen Euro – alles Ware, die bereits bezahlt ist.

Der Bundesverband des Deutschen Textileinzelhandels befürchtet Einbrüche für das Herbst- und Wintergeschäft, im schlimmsten Fall sogar Insolvenzen. Der Einzelhandel leide ohnehin schon unter der Konsumflaute, so Präsident Klaus Magnus. Mit leeren Regalen rechnen die Experten allerdings nicht: Der Markt in Deutschland gilt als übersättigt.

In Brüssel wird unterdessen an einer neuen „Übergangslösung“ gebastelt. Zumindest für Strickwaren soll ein Teil der Quote für 2006 auf 2005 angerechnet werden. Das würde den Kleiderläden einen Spielraum verschaffen. Ihre Kollektionen für das nächste Jahr könnten sie dann rechtzeitig woanders bestellen – eben in Kambodscha oder Indien. KATHARINA KOUFEN

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