Schweine im Stillstand

Mit einer Blockade legt die Aktionsgruppe „Tear Down Tönnies“ am Montag den Schlachthof Thomsen von Tönnies, Deutschlands größtem Sauenschlachter, lahm

Aktivist*innen schwenken Rauchbomben auf dem Dach eines Schlachthofes in Kellinghusen: Sie blockierten nach eigenen Aussagen zwei Eingänge, durch die sonst bis zu 6.000 Schweine am Tag in den Schlachthof gebracht worden wären Foto: Bodo Marks/dpa

Von Alina Götz

Aktivist*innen der Gruppe „Tear Down Tönnies“ brachten am Montag den Betrieb im Schlachthof R. Thomsen von Tönnies in Kellinghusen, Schleswig-Holstein, zum Stillstand. Am frühen Morgen verschafften sich knapp 30 von ihnen Zugang zum Gebäude. Einige ketteten sich an Eingänge und blockierten diese, andere stiegen aufs Dach des Betriebs. Die Besetzung wurde am Nachmittag von der Polizei aufgelöst.

Mit ihrer Blockade wollen die Aktivist*innen gegen Tierausbeutung, für Klimagerechtigkeit und für bessere Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie protestieren. In Schlachthäusern seien viele Missstände im kapitalistischen System miteinander verbunden, sagt Aktivist Felix. Er verbrachte den Montag auf dem Dach der Anlage. „Hier werden Tiere ausgebeutet, aber auch Arbeiter*innen.“

Zudem sei die Fleischproduktion sehr problematisch für die Ökosysteme des Planeten: Der hohe Flächenverbrauch für Futtermittel im Amazonas-Regenwald und der Flächenbedarf und anfallende Fäkalien vor Ort verursachen enorme Umweltschäden, heißt es in einer Erklärung von „Tear Down Tönnies“. So führe die Überdüngung von Feldern mit Gülle zu einer Überbelastung des Bodens und der Gewässer. Global gesehen sei die Tierindustrie damit einer der größten Faktoren für die beschleunigte Erderwärmung.

Felix kritisiert die gesamte Logik des kapitalistischen Systems und der Ausnutzung von Tieren. „Das Leben der Tiere wird auf wenige Monate begrenzt, mit dem alleinigen Zweck, danach zu Fleisch verarbeitet zu werden.“ Ebenso absurd sei, dass manche Spezies von Menschen zum Essen ausgesucht, andere aber wiederum als Haustiere gehalten werden.

Die Anlage habe man ausgesucht, weil sie der größte Schlachthof für Schweine in Deutschland sei, erklärt Felix. Seine Mitstreiter*innen blockierten Eingänge, durch die täglich bis zu 6.000 Tiere geschleust werden. Tönnies ist in Deutschland Marktführer bei der Schlachtung von Schweinen.

Dennoch richte sich der Protest nicht an Einzelpersonen, sondern gegen das System, so Felix. „Während wir diesen Betrieb blockieren, sterben woanders trotzdem super viele Tiere.“ Es gehe darum, öffentlich Aufmerksamkeit zu erregen an dem Ort, an dem Unrecht geschieht.

Adressat der Aktion ist für den Aktivisten keineswegs die Politik. „Im momentanen System würde sich sowieso nichts ändern.“ Vielmehr appelliert er an den Rest der Gesellschaft, sich mit ähnlichen Aktionen direkt am Protest zu beteiligen.

Die Unternehmensgruppe Tönnies, gegründet 1971, ist ein international agierendes Familienunternehmen, Clemens Tönnies ist geschäftsführender Gesellschafter. Der Hauptsitz liegt in Rheda-Wiedenbrück in Ostwestfalen.

Das Kerngeschäft besteht aus der „Schlachtung, Zerlegung, Verarbeitung und Veredelung von Schweinen, Sauen und Rindern“, heißt es auf der Unternehmenswebseite.

Tönnies hat 19 Produktionsstandorte in Deutschland, 29 weltweit. Am Standort Kellinghusen werden unter dem Namen Thomsen bis zu 6.000 Schweine pro Tag geschlachtet. Etwa 70 Mitarbeitende sind hier angestellt.

2018 umfasst die Unternehmensgruppe 16.500 Mitarbeitende bei einem Jahresumsatz von 6,65 Milliarden Euro.

André Vielstädte, Pressesprecher von Tönnies, hat kein Verständnis für die Blockade der „Autonomen“. Angestellte seien angesichts der Vermummten eingeschüchtert und verängstigt gewesen, auch weil die Ein- und Ausgänge blockiert und Rauchbomben gezündet wurden. „Hier wurde eine Grenze von Rechtsstaatlichkeit deutlich überschritten“, sagt Vielstädte. Allen Mitarbeiter*innen sei es aber gelungen, das Gebäude zu verlassen.

„Die Radikalität der Aktion ermöglicht gar keinen inhaltlichen Austausch“, kritisiert der Sprecher weiter. Dabei stünde Tönnies stets zum „konstruktiven Dialog“ bereit und sei in Kontakt mit Behörden und Nichtregierungsorganisationen über Tier- und Umweltschutz sowie Arbeitnehmer*innenrechte.

Derweil begrüßte Lorenz Gösta Beutin (Die Linke), Bundestagsabgeordneter aus Schleswig-Holstein, den Protest. „Diese Fleischfabriken sowie die Massentierhaltung müssen umgehend gestoppt werden, da sie sowohl gegen die Gesundheit von Menschen als auch gegen das Tierwohl verstoßen“, sagte Gösta Beutin in einer Stellungnahme. Ein verringerter Fleischkonsum von allen sieht er als Lösungsweg, der zu weniger Tierleid und Klimabelastung führen würde.

Laut Aktivist*innen und Polizei verliefen die Aktion und die Räumung friedlich. Die Polizei nahm Ermittlungen wegen Hausfriedensbruchs beziehungsweise Nötigung auf.