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Tod eines Mädchens

Weil die schon lange marode „Seute Deern“ nicht rechtzeitig ins Trockendock kam, ist der Bremerhavener Großsegler nun überhaupt nicht mehr zu retten. Damit nicht noch mehr verloren geht, sollen jetzt auch alle anderen Schiffe im Museumshafen untersucht werden

Noch schwimmt sie, die „Seute Deern“ Foto: Lennart Edel/DSM

VonJan Zier

Die „Seute Deern“, Bremerhavens inoffizielles Wahrzeichen, ist ein „konstruktiver Totalschaden“. Das ist nun amtlich – festgestellt von einem Gutachter, der die 75 Meter lange Bark drei Tage lange intensiv untersuchte, alle Unterlagen auswertete und seine Erkenntnisse in einem 50-seitigen Bericht zusammen gefasst hat. Zuvor war ein anderes Gutachten bereits zu einem ähnlichem Ergebnis gekommen.

Über den weiteren Umgang mit dem Dreimaster muss nun am Mittwoch der Aufsichtsrat des Deutschen Schifffahrtsmuseums (DSM) entscheiden. Die „Seute Deern“, vor 100 Jahren in den USA als Viermast-Gaffelschoner vom Stapel gelaufen, bekam das Museum 1971 zu seiner Gründung von der Stadt Bremerhaven geschenkt, 2005 wurde sie unter Denkmalschutz gestellt. Die „Seute Deern“ ist neben der englischen „Cutty Sark“ in Greenwich der letzte große hölzerne und rein zivil genutzte Frachtsegler – ein Schiffstyp, mit dem seit Kolumbus alle Erdteile bereist wurden. Doch während die „Cutty Sark“ schon seit 1954 in einem Trockendock liegt, blieb die „Seute Deern“ all die Jahre im Museumshafen: „Im Wasser sah das Schiff eben schöner aus“, sagte der Gründungsdirektor des DSM, Detlev Ellmers.

Das rächt sich nun. Denn leck war das Schiff schon lange: Es ist aus weichem Kiefernholz, dazu ohne Kupferbeschlag gebaut, hatte früh Bohrwurmfraß und leidet zudem unter dem Salzwasser. Schon ehe sie 1938 nach Finnland verkauft wurde, musste sie nach jeder Fahrt repariert werden. Und in Bremerhaven, wo die „Seute Deern“ seit 1966 liegt, brauchte sie bereits vor ihrer Havarie im August Pumpen, um weiter zu schwimmen. Dann sank das – im Februar noch dazu ausgebrannte – Schiff auf den Grund des Museumshafens und musste für mehr als eine Million Euro gehoben werden. Jetzt läuft acht Mal so viel Wasser ein wie vorher, so das DSM.

Eine Sanierung käme einem Neubau gleich, sagt der Gutachter nun klipp und klar: Die Außenhaut, der Kiel und der Unterraum seien „zu 100 Prozent zerstört“, die tragenden Spanten und Decksbalken „zu 82,5 Prozent“ und der Ruderraum immer noch „zu 75 Prozent“.

Rein rechnerisch wären demnach exakt 75,48 Prozent der reinen Schiffsmasse zu ersetzen, so das Ergebnis der Gutachter. Und dafür werden die rund 34 Millionen Euro, mit denen die „Seute Deern“ wieder instand gesetzt werden sollte, nicht reichen: Die Summe beinhaltet noch nicht die Folgekosten der Havarie. 17 Millionen Euro wollte der Bund bereitstellen, die andere Hälfte sollte aus Bremen kommen.

Zwar hat das DSM jüngst die Hafengesellschaft bremenports beauftragt, die „Seute Deern“ in ein Schwimmdock zu verlegen. Aber die Gutachter raten davon ganz klar ab. Der Auftrag „ruht“ derzeit, so das DSM.

Und im politischen Raum schwindet der Rückhalt für die Rettung der „Seuten Deern“ schon lange – nicht nur die Linke hat sich eindeutig für das Abwracken als „die einzige sinnvolle Option“ ausgesprochen, selbst der SPD-Oberbürgermeister Melf Grantz (SPD) hat schon eine Aufgabe des Segelschiffs ins Spiel gebracht.

„Wir hätten es besser wissen können.“

Detlef Ellmers, Gründungsdirektor des Deutschen Schiffahrtsmuseums

„Wir müssen akzeptieren, dass die ‚Seute Deern‘ nicht zu retten ist“, sagt auch die Wissenschaftspolitikerin der Grünen-Fraktion, Solveig Eschen. Sie geht davon aus, dass das Schiff an Ort und Stelle abgewrackt werden muss – sie will „Erinnerungsstücke retten“ und Teile des Schiffes zugunsten des DSM versteigern lassen.

Ausgerechnet Detlef Ellmers, bis 2002 Direktor des DSM, hat mittlerweile selbstkritisch eingeräumt, dass das Museum im Grunde selbst schuld ist am desolaten Zustand der „Seuten Deern“: „Wir hätten es besser wissen können“, zitiert die Nordsee-Zeitung den promovierten Schiffsarchäologen. Der Untergang hätte nach seinen Worten verhindert werden können: „Das Schiff hätte längst in ein Trockendock gelegt werden müssen.“ Drei Mal habe man die Chance gehabt. „Aber auf diese Idee sind wir alle nicht gekommen“, so Ellmers. Eine Verschrottung kommt für ihn nicht infrage: „Die ‚Seute Deern‘ ist jetzt ein Fall für Schiffsarchäologen“.

Das DSM weist Kritik an der seit 2013 amtierenden Direktorin Sunhild Kleingärtner indes zurück: „Um zu verhindern, dass das Schiff im Falle einer Sanierung quasi neu gebaut werden müsste, hätte man bereits vor 20 bis 30 Jahren handeln und das Schiff aus dem Wasser holen müssen“, so der Museumssprecher. Im Übrigen verweist er darauf, dass dem DSM Geld für die Instandhaltung seiner Schiffe fehle, und eine teure Verholung in ein Trockendock „angesichts der Strukturkrise in Bremerhaven“ kaum vermittelbar gewesen wäre.

Die Grünen wollen sich nun dafür stark machen, die noch vorhandenen Schiffe im Museumshafen „bestmöglich“ zu erhalten. Das DSM hat erstmal beschlossen, den Sanierungsaufwand all seiner Schiffe dort gutachterlich bewerten“ zu lassen, um „Klarheit über den Finanzbedarf zu gewinnen“.

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