Eine Stadt sieht rot

Der viele Backstein in Lüneburg ist schon recht, findet der Verein „Backsteinprojekte“, nur fehlt es an zeitgenössischer Architektur. Also versucht der Verein, die Stadt aus der Renaissance zu holen: Mit moderner Kunst – aber aus Backstein

Wer hierher kommt, der sieht rot: Lüneburg, eine Kleinstadt in der norddeutschen Tiefebene mit eigener Uni, spart nicht mit mittelalterlichen Backsteinbauten. In der Innenstadt reihen sich Treppengiebel und Erker aneinander, ein Panorama, das Tausende von Touristen jedes Jahr aufs Neue in den Sucher ihrer Kamera nehmen – besonders im Spätsommer, zur Zeit der Heideblüte. Dem Architekten und zugereisten Lüneburger Hartmut Tromberend war das nicht genug: Lüneburg, so seine Ansicht, braucht in Sachen Architektur mehr modernes.

„Die Innenstadt ist irgendwo in der Epoche der Renaissance stecken geblieben“, sagt Tromberend; er beschloss mit einem Kreis Gleichgesinnter Abhilfe zu schaffen: „Unsere Stadt verträgt auch zeitgenössische Architektur.“ Tromberend rief den Verein “Backsteinprojekt“ ins Leben und führte einen weltweiten Ideenwettbewerb durch. Designer, Performer und Architekten wurden aufgerufen, Neues in rot zu kreieren. Vorgabe: der Entwurf muss mit Backstein zu realisieren sein und das Objekt darf 7 Kubikmeter Fassungsvermögen nicht überschreiten.

Fünfzehn Zusagen namhafter Künstler, wie Karim el Raschid aus New York oder Peter Maly aus Hamburg, flatterten den Lüneburgern ins Postfach. Nach und nach, so der Traum der Veranstalter, wollten sie alle 15 Entwürfe als so genannte „Stadtmarken“ in der Lüneburger Innenstadt realisieren. Die Finanzierung des Projekts allerdings gestaltete sich nicht ganz einfach: „Trotzdem waren wir zuerst optimistisch“, sagt Hartmut Tromberend – etwas zu optimistisch offenbar.

Bei einem landesweiten Wettbewerb „Ab in die Mitte“, der originelle Ideen zur Innenstadtgestaltung prämiert, belegten die Lüneburger einen der vorderen Plätze und bekamen ein Preisgeld als Anschubfinanzierung für ihr Projekt, doch dann wurde es finanziell schon bald heikel. Die Stadt Lüneburg hatte jede Form von Unterstützung zugesagt – ideeIler Natur, versteht sich, denn auch bei Lüneburgs Kämmerer ist Schmalhans seit langem Küchenmeister.

Immerhin, einige Lüneburger Bauunternehmer setzten die Entwürfe der Designer um, ohne anschließend eine Rechnung zu schreiben – dabei war das Handling der Entwürfe nicht immer einfach: „Für ein Objekt brauchten wir konisch geformte, himmelblaue Backsteine,“ so Erhard Poßin vom Verein. Die Fachmänner produzierten für die Kunst drauf los – aber dennoch, die Materialkosten, die der Verein allein tragen musste, fielen für einige Entwürfe deutlich höher aus als erwartet.

Tromberend suchte Sponsoren und musste feststellen: „Zur Zeit finden Sie auch bei größeren Unternehmen kaum jemanden, der bereits ist, mehr als ein- bis zweihundert Euro für die Kunst zu opfern.“ Auch aus den Reihen der Privaten blieb das Spendenaufkommen gering. Inzwischen steht der Verein kurz vor dem finanziellen Knockout: Derzeit existieren fünf der Stadtmarken in Lüneburg, die sechste ist in Arbeit, doch dann dürfte die Aktion ein vorzeitiges Ende finden. Dabei seien die schon realisierten Objekte in der Innenstadt für die Bewohner und Besucher „echte Treffpunkte geworden“, sagt Tromberend.

Die geplante Finissage nebst Katalog und eine Wanderausstellung fallen nun wohl flach. Ganz aufgegeben haben Hartmut Tromberend und seine Mitstreiter noch nicht – er persönlich würde noch besonders gern das Objekt mit dem prosaischen Namen „Herz der Stadt“ verwirklichen, aber: „Nicht einfach, bei quadratischen Steinen und den vielen Rundungen, die da zu mauern wären.“ Elke Schneefuß

Infos: www.backsteinprojekt.de