: Nicht nur für Esel
Der französische Illustrator Marc Boutavant lässt seinen Comicesel „Ariol“ singen und plant damit eine Tour durch Deutschland
Von Imke Staats
Seit rund 20 Jahren hält ein etwa neunjähriger blauer Esel namens Ariol seine Schulklasse und seine Familie auf Trab. Diese eigentlich sehr menschliche Figur brachte der französische Illustrator Marc Boutavant per Zeichenstift auf die Welt, nebst einer ganzen Schulklasse voller anderer Tierwesen, dazu Eltern, Lehrer und detailvolle Lebenswelten. Sie füllen inzwischen insgesamt 14 Comicbände, 9 davon auf Deutsch; und purzeln über TV-Screens, im Moment noch die französischen.
Wie alle guten Fabeln sind die Alltagsabenteuer darin stark menschlich, was den Erfolg dieser munteren Arche Noah bei Vierjährigen zum Teil erklärt; zum anderen sind sie locker und ulkig gezeichnet und haben viel Witz, sowohl in der Handlung als auch im Wort – spürbar in der kongenialen deutschen Übersetzung. Für diesen Teil des Teamworks ist Emmanuel Guibert zuständig – Geschichtenerfinder, ebenfalls Illustrator und erfolgreicher Comiczeichner – und Musiker.
Szenarist mit blauen Pappohren
Zum Ende der fast vierwöchigen Ausstellung „Ariols Welt“ im ehrwürdigen Berliner Institut français im September, in der per Tafel und Film die Entwicklung der Serie und die Charaktere präsentiert wurden, Originalzeichnungen und Lithografien gezeigt und das „Riesen-Gänse-Spiel“ zum Mitmachen einlud, kam auch diese Facette zum Tragen. Vor dem vollbesetzten Saal im Obergeschoss des Instituts riss die „Ariol-Show Nr. 2“ Kinder, Eltern und einige erwachsene Fans mit. Die seit 2017 amtierende künstlerische Leiterin Dominique Treilhou kündigte das Spektakel vor mehr als 70 teils auf dem Parkett hockenden vier- bis zehnjährigen Kindern an, welches neben ihren Ambitionen durch die Mithilfe des Freundeskreises des Maison de France e. V. ermöglicht wurde und im nächsten Jahr durch Deutschland ziehen wird.
Geplant sind Stopps in Bremen, Mainz, Stuttgart und Köln. Währenddessen steht schon Emmanuel Guibert, der sonst unsichtbare Autor und Szenarist mit einer Gitarre links auf der Bühne vor einem roten Screen mit gezeichnetem Ariol-Show-Bild. Er begrüßt den Zeichner Marc Boutavant, der am dunklen rechten Bühnenrand an einem Zeichentablet sitzt – und dort auch die ganze Zeit bleiben wird. Rollentausch, quasi. Guibert setzt sich ein Paar einfache blaue Pappohren auf und ist Ariol, den er singend vorstellt. „ Je m’appelle Ariol, Ariol, dulididadadu …“ – dazu sehen wir, wie die Figur zeichnerisch entsteht: ein paar Ohren, Kulleraugen, eine Eselsnase, Farben aus der Farbpalette des Zeichenprogramms, fertig! Applaus, Applaus.
Der Screen wird blau, die Pappohren werden rosa, denn jetzt wird Ariols bester Freund präsentiert: das Schwein Ramon. Kurzes Stück, schnelles Bild, Karotte in die Nase. Alles auf Französisch, aber durch Multimedia und vor allem das expressive Showtalent Guiberts, der mit Ganzkörpereinsatz und wechselnden Geräuschen, Stimmen und Musikstilen maximalen Ausdruck erreicht, versteht man jeden der vorgestellten Charaktere, ob die Angebetete Petula, den Klassenlehrer Maître Chien, zu Deutsch Herr von Schnapp, oder das Idol Le Chevalier Chevalle alias Hengst Heldenhuf. Ab und zu hat Boutavant eine kleine Pause, dann werden fertige Comics eingeblendet, die mit verteilten Rollen vorgetragen werden. Guibert dagegen rockt durch, er beherrscht Rock, Blues, Kinderlied – immerhin hat er eine frühe Beatlesprägung und hat die Gitarre nie losgelassen, trotz Stift und Pinsel.
Ungewöhnlich ist diese Paarung von Musik und Zeichnen nicht, allein in Berlin sind da Henning Wagenbreths Kapelle The Mazookas oder Klaus Cornfields Throw That Beat in the Garbagecan und „Katze“ zu erwähnen. Nach mehr als einer Stunde ist alles gesungen und gezeichnet, alle taumeln fröhlich Richtung Ausgang – gehen aber nicht raus. Denn da steht der Büchertisch mit den Ausgaben von Ariol in Französisch oder Deutsch. Und dahinter: die unermüdlichen Macher der Stars, die mit viel Hingabe und Farbe jedes vorgelegte Buch mit einer persönlichen, lustigen Illustration versehen. Bei so viel Humor und Menschenfreundlichkeit kommt der Gedanke daran, dass hier zwar viele Charaktere dargestellt sind, aber nicht explizit die Migrantenfrage erörtert wird, nur träge durch. „In Frankreich sind wir ziemlich frei davon, Hautfarbe oder Herkunft Rollen zuzuschreiben“, sagt dazu Boutavant. Möge es so sein und das Thema unter kindlichen Fans von Ariol keiner besonderen Betonung wert sein.
Ariol-Comics sind auf Deutsch bei Reprodukt erschienen.
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