neues aus neuseeland: party mit luftkrieg von ANKE RICHTER
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Wenn die Urologen Christchurchs feiern, dann fragen sich ihre Angehörigen vorher gebannt: „Wie lautet das Motto?“ Partys mit Kostümzwang sind eine Kiwi-Spezialität. Und die Nierenklempner der Südinsel rühmen sich, die Originellsten auf dem Sektor zu sein.

Mein Mann kommt aus der Klinik nach Hause, lockert den Zwangsschlips – denn man trägt in alter englischer Tradition Anzug statt weißem Kittel, auch wenn’s beim Blasenspiegeln ein wenig aufs feine Tuch spritzt – und verkündet: „Sie wollen diesmal ‚Battle over Britain‘ machen.“ Bedeutungsvolle Pause. Schlucken. Er schaut entschuldigend und verzweifelt, ich schaue verzweifelt und entsetzt.

Wir haben schon so einiges mitgemacht in den vergangenen zwei Jahren und die Second-Hand- und Scherzartikelläden der Stadt geplündert: Er als Jimi Hendrix, ich als Siebzigerjahre-Groupie, er als Che Guevara, ich als Siebzigerjahre-Diva, er als Gangster, ich als Siebzigerjahre-Engel. Nie hätte ich gedacht, dass zu meinen ersten Anschaffungen in der neuen Heimat falsche Augenwimpern und Netzstrümpfe gehören würden.

Dabei habe ich überhaupt kein Problem mit dem Verkleiden: Ich wuchs im Kölner Karneval auf. Auf die Faschingsfete eines Kollegen ging ich als Monika Lewinsky und verkleckerte Jogurt auf dem Blazer, das ergab spermatöse Flecken. Mein Freund ging als Bill Clinton und ließ ein Wiener Würstchen aus der Hose baumeln. Wir haben bald darauf geheiratet, wir sind eben beide nicht zimperlich.

Nun also „Krieg um England“. Die Festivität soll im hiesigen Museum der Luftwaffe stattfinden, wo viele Flugzeuge aus dem Zweiten Weltkrieg ausgestellt sind. Als Tischdekoration geplant waren Kerzen in Soldatenhelmen. Hübsch. Als was gehen da die einzigen beiden Deutschen? Spontan fällt mir ein: bandagiertes Bombenopfer. Man bräuchte nur Verbände aus dem Krankenhaus mitgehen lassen, und der Beinstumpf lässt sich mit viel Yoga hinbiegen. Oder am besten gleich die Prinz-Harry-Nummer mit dem Hakenkreuz, Scherz muss sein. Uns bleibt nur noch die Flucht nach vorne. Denn eines ist sicher: Nach dem zu vielten Bier, wenn die Band einsetzt, schwankt jemand gut gelaunt auf unseren Tisch zu, reißt die Hand nach vorn, hält sich zwei Finger unter die Nase und brüllt: „Hey, you two, Heil Hitler! Haha!“

Man darf dieser Frohnatur nicht mal böse sein, denn was schert es den gemeinen Neuseeländer, dass 20.000 Kilometer entfernt gerade der Befreiung von Auschwitz gedacht wurde. Wahrscheinlich so wenig wie den gemeinen Deutschen, nur fehlt dem der Humor. Schon blöd, wenn man so wenig zu lachen hat, wenn’s um die erste Hälfte dieses Jahrhunderts geht.

Die Kollegen meines Mannes hatten nach einigen Abwägungen („Vielleicht könnte man den Ersten Weltkrieg nehmen? Ach nein, den habt ihr ja auch verloren“) schließlich ein Erbarmen. Das Thema des Abends hieß jetzt „Kiwiana“. Das sind typisch neuseeländische Klischees: Rugby, Gummistiefel, Schafficker. Da braucht man nur ein Plüschtier vor den Latz schnallen.

Es wurde dann doch noch ein sehr schönes Fest. Mein Mann gewann den Preis fürs beste Kostüm. Er ging als Plumpsklo.