Make RTL Marktführer

Anke Schäferkordt präsentiert ihr RTL: Obwohl sie noch gar nicht offiziell Chefin ist, trägt das neue Programm bei den Eigenformaten schon ihre Handschrift. Und Angst vor Springer hat sie auch nicht

AUS HAMBURG HANNAH PILARCZYK

Als hätte sie es schon immer gemacht: Ohne sichtliche Nervosität tritt die neue RTL-Chefin Anke Schäferkordt am Mittwoch Mittag in Hamburg vor die Presse. Der roséfarbene Hosenanzug sitzt Merkel-mäßig gut, das mittlerweile dunkelbraun gefärbte Haar lässt sie noch jugendlich frischer wirken, als sie es im Kreis der männlichen Fernsehmacher ohnehin schon tut. Auf die Vorstellung der Free-TV-Premieren der große Hollywood-Filme hat sie, wie sie sagt, schon lange gewartet. An ihrem rechten Arm trägt sie Silikon-Charity-Armbänder in den Hausfarben Rot, Gelb, Blau. Statt „Make Poverty History“ oder „Livestrong“ steht dort: „Mein RTL“.

Dabei ist sie offiziell immer noch nicht ganz da: Erst am 1. September rückt Schäferkordt vom Chief Operating Officer zur wahren RTL-Chefin auf. Das klingt nach wenig Veränderung, und so ist es auch: Seit dem Abgang ihres Kurzzeit-Vorgängers Marc Conrad (siehe Kasten) war sie designierte Chefin der größten privaten Sendergruppe in Deutschland.

Was an diesem trüben Augusttag in Hamburg überrascht: Auch das RTL-Programm ändert sich unter der neuen Geschäftsführerin wenig. Seriendauerbrenner wie „Cobra 11“ oder „Abschnitt 40“ werden weitergeführt, an der Doku- und Infofront kämpft Peter Kloeppel weiterhin ziemlich allein, die neu eingekauften Filme (unter anderem „Harry Potter und der Stein der Weisen“, „James Bond – Stirb an einem anderen Tag“) sind hübsch, können das Spielfilmpaket der ARD aber keineswegs schwächen. 17 Prozent Marktanteil hat Schäferkordt für den unter leichten Einschalt-Dellen leidenden Ex-Marktführer vorgegeben: „Unsere bewerte Flughöhe“.

Auf den ersten Blick trägt das Programm, das sie dann vorstellt, nicht viel von der Handschrift der Fernsehversteherin, die bei Vox durch Spürsinn und Beharrlichkeit auch sperrige Formate und Serien wie Ally McBeal etablierte. Das Ungewöhnliche, Gewagte fehlt – aber auch Geschmacks- und Quotenfehlgriffe wie „Verschollen“ und „Beauty Queens“. Stattdessen sucht Deutschland zum dritten Mal den „Superstar“. Und das „Dschungelcamp“ wird ab Januar 2006 auch wieder aufgebaut.

Immerhin im Kleinen scheint der burschikos-anpackende Charme der 42-Jährigen schon durchgesickert zu sein. Familienaffiner, positiver sollen künftig die Doku- und Beratungssoaps des Vor- und Nachmittagsprogramms sein. Und so, wie dort zusammengezogen wird, Kinder gekriegt und Wohnungen umgestaltet werden, ist die Tonlage richtig getroffen. Sogar die neue Krimiserie „Die Gerichtsmedizinerin“ mit Lisa Fitz, die diese von RTL als Entschädigung für ihren Auftritt beim Dschungelcamp bekam, nachdem sie von der ARD gefeuert wurde, sieht okay aus. – Und das will was heißen.

Unbeirrt zeigt sich Schäferkordt. Auch was die Übernahme der Konkurrenzsenderfamilie ProSiebenSat.1 durch Springer angeht: „Für uns macht das keinen Unterschied. Ich freue mich auf den Wettbewerb.“ Ob sie das wohl auch noch sagt, wenn Bild „Deutschland sucht den Superstar 3“ ignoriert ?

Außer Konkurrenz ist RTL bei der Fußball-WM. Mit acht Sonntagsspielen hat man zwar als Erster Liveübertragungsrechte erhalten. Dummerweise aber komplett ohne die deutsche Elf, was auch kein gut aufgelegter „RTL-Team-Chef“ Rudi Völler, der nächsten Sommer kommentieren wird, schön reden kann.

Bleiben also viel Familie, viel Beratung, ein wenig Show, ein wenig Sport. Ob das Schäferkordt schon als „Mein RTL“ – übrigens auch der neue Senderclaim – bezeichnen würde? Sicher, sie würde gern mehr ausprobieren. Fernsehfilme wie der spektakuläre Zweiteiler „Die Sturmflut“ mit Stars wie Benno Fürmann, Jan Josef Liefers und Götz George über die Krise 1962, als in Hamburg die Elbe über die Ufer tritt, sind nach ihrem Geschmack. Ob es künftig mehr davon gibt? „Geben Sie mir noch ein wenig Zeit“, sagt Schäferkordt nur vage. Im Hintergrund fließt die Elbe derweil grau und träge vorbei.