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Schwimmwettkampf in BerlinWM der Bedeutungslosen

Die Schwimm-Weltcupserie war mal wieder in Berlin. Nur ist der Wettkampf nicht wirklich wichtig. Die neue Liga eines Milliardärs ist viel lukrativer.

Schnell durchs Wasser: Bei einem früheren Berliner Weltcup-Rennen Foto: dpa

BERLIN taz | Seit über 30 Jahren lädt der Schwimm-Weltverband (Fina) zu seinen Weltcups ein. Zwischen August und November wird die Serie jährlich an sieben Standorten weltweit ausgetragen. Dort soll sich die Weltspitze direkt zu Saisonbeginn miteinander messen. Den Gesamtsiegern winkt dabei ein Preisgeld von 2,5 Millionen Dollar. Doch selbst das lockt die Elite nur noch selten zu den Fina-Weltcups. Denn tatsächlich war beim Wettkampf in der Schwimm- und Sprunghalle an der Landsberger Allee kaum noch Schwimmprominenz vertreten.

Auch Andreas Wiesner, amtierender Deutsche Meister über die 200 Meter Rücken, fehlte im Wettkampfbecken. Verletzungsbedingt verfolgte der Wahl-Berliner das Geschehen von der Tribüne aus. Sein Fehlen sei aber trotz der wichtigen Olympiasaison kein Debakel, sagt er: „Der Weltcup ist kein entscheidender Wettkampf.“ Dass er fehle, habe auch keine weiteren Auswirkungen: „Das entscheidet nicht über die gesamte Saison.“ Die Weltcups liegen nämlich ganz am Anfang der Schwimmsaison. „Viele Mannschaften starten hier gar erst nicht, weil es ihnen zu früh ist“, erklärt der 25-Jährige das Fehlen auch anderer Spitzenschwimmer.

Viele der antretenden Athleten können sich bei den Weltcups zudem nicht für internationale Events, wie die Olympischen Spiele qualifizieren. Daher gelten die Wettkämpfe als vernachlässigbare Durchgangsstation. So sieht es auch Wiesners Teamkollegin Leonie Kullmann. „Wir haben uns nicht wirklich darauf vorbereitet“, sagt die Olympiateilnehmerin von Rio, „das ist eher ein Trainingswettkampf für uns.“

Die neue Schwimmliga ISL ist für die Weltspitze interessanter

Priorität habe die erst im April stattfindende Qualifikation für die Olympischen Spiele im Juli 2020 in Tokio. Zumindest der Zeitpunkt des Wettbewerbs komme der 20-Jährigen aber gelegen: „Es ist ein wichtiger Zwischenstopp. Hier können wir schauen, wo wir stehen und was wir noch verbessern müssen.“ Das Ziel sei zwar, so schnell wie möglich zu schwimmen, aber mit großartigen Leistungen habe sie zu diesem Zeitpunkt der Saison noch nicht gerechnet, resümiert die 200-Meter-Freistilspezialistin ihr Abschneiden (sechster Platz 200m und vierter Platz über 400m) beim Fina-Weltcup.

Laut ihrem Teamkollegen Wiesner laufen die Vorbereitungen auf die Weltcups sehr unterschiedlich ab. Seit Jahren würden den Gesamtsieg lediglich die gleichen Schwimmer unter sich ausmachen. „Die USA hält sich dabei meistens komplett raus. Auch die Japaner und die Australier mischen dabei nur teilweise mit “, erklärt er das Fehlen anderer Spitzenschwimmer.

Künftig vielleicht noch unbedeutender

Gut möglich ist es sogar, dass die Weltcupserie künftig sogar noch unbedeutender wird. Seit dieser Saison geht nämlich die neu gegründete International Swim League (ISL) in ihre erste Auflage. Das Konzept, finanziert und entworfen vom ukrainischen Milliardär Kostjantyn Hryhoryschyn, ist das erste kommerzialisierte Programm in der Schwimmwelt. In dieser Saison treten acht unabhängige und nur dafür gegründete Teams gegeneinander an. Dabei sind bislang vier Teams in Europa beheimatet und vier Teams in den USA.

Diese neue Schwimmliga ist für die Weltspitze schon jetzt interessanter. Denn in den individuellen Verträgen sind nicht nur hohe Preis-, sondern auch Antrittsgelder und sogar Rentenversicherungen verankert. Bei den Weltcups der Fina erhalten die Athleten lediglich Preisgelder: „Da muss man erst mal ein ganzes Cluster schwimmen, um das überhaupt finanziell lohnend zu gestalten“, sagt Wiesner. Zudem sei der Modus der ISL für neutrale Zuschauer interessanter und vor allem transparenter. So ist im Gegensatz zu den Weltcups nicht die Zeit der Schwimmer entscheidend, sondern ihre Platzierung. Anhand dessen werden dann Punkte an die Teams vergeben.

Schon ein elitäres Feld

Die Teilnahme in der Schwimmliga ist allerdings schwerer als bei den Weltcups. In der Fina-Serie habe man als Teil einer Nationalmannschaft seinen Startplatz sicher. Das jeweilige Austragungsland verfügt unterdessen sogar über ein weiteres Kontingent an Startern. In der neuen ISL hingegen gibt es kein klares Qualifikationskriterium. Laut Wiesners Teamkollegin Kullmann gibt es dafür mehrere Optionen: Einige Trainer oder Schwimmer bewerben sich wohl bei den Teams, gängiger sei aber ein anderes verfahren, wie die 20-Jährige vermutet: „Ich glaube, dass die Teamverantwortlichen eher durch die Weltrangliste stöbern und sich die richtigen Leute raussuchen.“ Ein Blick auf die Teamlisten der ISL bestätigt das. Jedes Team konnte bisher mindestens einen Weltrekordhalter verpflichten.

Angeführt von Caeleb Dressel, Adam Peaty und Katy Ledecky schwimmen in der Liga mittlerweile die erfolgreichsten Athleten der Welt. „Es ist schon ein elitäres Feld“, sagt Wiesner zwar, „es ist aber ein Ansporn, sich dahin zu entwickeln.“ Mit unter anderem Marco Koch und Sarah Köhler haben auch deutsche Ausnahmeschwimmer den Sprung in verschiedene Teams geschafft. Beide sind deswegen auch trotz des Heim-Weltcups in Berlin nicht gestartet.

Derzeit befindet sich die ISL noch in ihrer Premiere. Für Wiesner und Kullmann ist es aber nur eine Frage der Zeit, ehe sie die alte Weltcupserie verdrängen wird. „Das Modell ist moderner, es ist spannender zum Zuschauen und passt besser in die Zeit“, findet Wiesner. Kullmann sagt, die mangelnde Sportförderung sei zwar auch durch die International Swim League nicht gänzlich gelöst – „Es ist aber ein Schritt in die richtige Richtung.“

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