Das kommt auch
: Zweifelhafte Ehrung

Nachhaltigkeit ist in Osnabrück oft nur Wortgeklingel für nette Konzepte

Es gibt Zauberworte, die haben allen Zauber verloren. Zum Beispiel: Nachhaltigkeit. Zu wahllos verwendet, weiß niemand mehr so recht, für was es noch steht. In Osnabrück hat dieses Wort derzeit einen besonders irritierenden Klang. Am Montag bekommt die Stadt den Deutschen Nachhaltigkeitspreis 2020 in der Kategorie Großstadt verliehen. Dabei ist Nachhaltigkeit in Osnabrück oft nur Wortgeklingel für nette Konzepte, aber das ist offenbar egal. 30.000 Euro ist der Sieg wert.

Seit 2012 prämiert die Stiftung Deutscher Nachhaltigkeitspreis neben Produkten und Marken, Unternehmen und Forschungsergebnissen auch ganze Städte. Im Kuratorium sitzt auch Carsten Tilger, Pressemann beim Wasch- und Reinigungsmittelhersteller Henkel. Moment: War da nicht mal was mit Regenwaldabholzung für Palmöl und so? Außerdem ist die Stiftung stolz auf den Partner VW. Als habe es den Abgas-Skandal nie gegeben. Daimler und BASF hat die Stiftung übrigens auch schon mal prämiert, ebenso Unilever und Procter & Gamble.

„In Sachen Klima- und Ressourcenschutz agiert die Kommune vorbildlich“, lobt die Jury die diesjährige Gewinnerin. Und führt als Beleg Osnabrücks „Masterplan 100% Klimaschutz“ ins Feld, in dem Osnabrück sich etwa verpflichtet, die CO2-Emissionen zu senken.

Andreas Peters macht das zornig. „Wir Umweltverbände sind aus dem Masterplan unter Protest ausgestiegen“, sagt der Vorsitzende des Nabu Osnabrück und des Umweltforums Osnabrücker Land. „Die produzieren doch nur heiße Luft.“ Über den Preis für Osnabrück habe er „sehr gestaunt“. Lars Biesenthal, Organisator bei „Fridays or Future“ in Osnabrück, sieht das genauso: „Absolut unverdient.“ Diesen Eindruck stärkt zum Beispiel ein Blick auf die Stadtwerke Osnabrück AG, einer hundertprozentigen Tochter der Stadt. Erst Ende 2017 haben sie ihren Anteil am Trianel-Steinkohlekraftwerk in Lünen aufgestockt.

In Osnabrück kann man sich die Lage nun auch Dank der Auszeichnung weiter schönreden, kann über das marode Radwegenetz ebenso hinwegsehen wie über die unnötigen Autobahn-Pläne. Aber sollte es trotzdem stimmen, dass die Stadt Osnabrück eine Nachhaltigkeits-Heldin ist, stellt sich die Frage: Wie schrecklich muss die Lage in den Städten sein, die leer ausgegangen sind? Harff-Peter Schönherr