: Wenn eine Wahlfast zum Krimi wird
Die Mitglieder der taz-Genossenschaft haben über die Zusammensetzung ihres Aufsichtsrats entschieden. Bei sechs Kandidat:innen war das keine einfache Sache
Zwei Plätze im Aufsichtsrat der taz-Genossenschaft waren am vergangenen spätsommerlichen Samstagmittag im großen Saal der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin-Mitte neu zu vergeben. Neben Hermann-Josef Tenhagen, bereits seit 1994 Mitglied in diesem Gremium, bewarben sich mit Nicole Schalkau-Treß, Christian G. Christiansen, Bastian Wollenschein, Timo Kremer und Jens Pohlmann weitere vier Männer und eine Frau, allesamt versiert in finanz- und steuerrechtlichen Fragen, um diese ehrenamtlichen Posten.
Tenhagen, Chefredakteur und Herausgeber vom Finanztip und 1991 bis 1998 taz-Redakteur, musste sich der Wiederwahl stellen – und dies schaffte er mühelos, eine Zustimmung von zwei Dritteln der Genoss:innen erhaltend. Von 453 gültigen Stimmen bekam er im ersten Wahlgang 383 Voten – dies wurde im „Flurfunk“ der Versammlung allgemein auch als der Vertrauensbeweis schlechthin für seine vergangene wie künftige Arbeit gedeutet.
Der verbliebene Platz musste nun also unter vier der verbliebenen Kandidierenden entschieden werden, Christian G. Christiansen hatte nach dem ersten Wahlgang auf eine weiteren Wahlgang verzichtet. Die Spannung vor dem nächsten Wahlgang, sie war förmlich mit den Händen zu greifen. Alle Kandidierenden verfügen über hohe Kompetenz auf ihrem Feld, alle wären ideal geeignet. Doch nur eine Person konnte gewinnen.
Indes, auch der zweite Wahlgang brachte keine Erlösung. Das Wahlergebnis unterschied sich zwischen Bastian Wollenschein, Jens Pohlmann, Timo Kremer und Nicole Schalkau-Treß kaum. Erst nach dem Verzicht von Kremer und Wollenschein und einer weiteren knappen Vorstellungsrunde der zwei Verbliebenen fiel das Votum im dritten Wahlgang der taz-Genossenschaft endlich klar aus: der Steuerberater Jens Pohlmann aus Bielefeld gewann mit 299 von 399 gültigen Stimmen, also dem nötigen Quorum der Anwesenden, das Mandat für den Aufsichtsrat der taz-Genossenschaft.
Wir wünschen dem Mann, der vorab bekannte, in der taz ein besonderes Herz für Touché zu haben, der die Auslandsberichterstattung als Juwel der Zeitung bezeichnet und, frei nach Friedrich Küppersbusch, den Fußballern der Bielefelder Arminia die Daumen drückt, ein gutes Händchen. Mit der amtierenden Stefanie Urbach und dem wiedergewählten Hermann-Josef Tenhagen verkörpert er nun das Trio, das mit freundlichster Präzision das Wirken und Wollen der taz-Genossenschaft überwacht.
Dass übrigens gleich zwei Sitze in diesem Organ neu zu besetzen waren, hat mit dem Rückzug eines der prägenden Menschen dortselbst zu tun: Johannes Rauschenberger, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in Stuttgart, glühender Fan der taz wie auch der baden-württembergischen Wochenbeilage Kontext, war Mitglied des Aufsichtsrats seit 1995 – und zieht sich nun in den, wie es so heißt, etwas gemächlicheren Ruhestand zurück. taz-Vorstandskolleg:in Isabel Lott dankte ihm in ihrer Rede: „Dass du nach acht Amtszeiten der Meinung bist, es reicht – und du jetzt Platz für jemand Jüngeren machen möchtest, haben wir verstanden und schweren Herzens akzeptiert.“
Aus dem Nähkästchen der Kooperation mit dem Aufsichtsratsmann aus der Hauptstadt der Bewegung gegen Stuttgart 21 berichtend, sagte sie: „Trotz oder wegen deiner Sympathie für die taz hast du dein Amt als Kontrolleur sehr ernst genommen. Zum Jahresabschluss 2018 hast du uns 14 ausführliche Anmerkungen geschickt, mit dem Hinweis, weitere würden folgen. Aber zum Ende deiner Amtszeit bist du noch mal zur Höchstform aufgelaufen. Uns erreichten Mails aus Stuttgart mit Sätzen wie: ‚Ich bin entsetzt!!!!!!!!!!‘ oder ‚Muss ich nur zur Furie werden‘ – wobei er an dieser Stelle darauf hinwies, keine Ahnung zu haben, ‚was die männliche Bezeichnung‘ für Furie ist‘.“ Mit anderen Worten: ein Mann mit hoher Sprachgendersensibilität.
Schließlich ergänzte Vorstandsfrau Isabel Lott noch: „Neulich sagtest du mir am Telefon, du willst nichts zum Abschied, dein taz-Fahrrad, das du mal bekommen hattest, sei noch in Ordnung. Ich meinte nur: Alles, aber mir gebet nix.“ Wirklich? Rauschenberger konnte sich etwas wünschen, aber die taz musste ja nicht folgen. Wir geben ihm dann aber doch was. Ein Geschenk mit tazziger Kompetenz: Er wird jetzt auf eine Reise geschickt: mit den taz Reisen in die Zivilgesellschaft.
Er soll einfach an Bord bleiben, in jeder Hinsicht, mit guten Ratschlägen und dem klugen Blick – was er auch gelobte! (jaf)
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