HARALD KELLER DER WOCHENENDKRIMI: Galliges Schelmenstück
Der Regisseur Abel Ferrara faselt nicht. Seinen Interviewern spuckt er Sätze wie diesen vor die Füße: „Wenn ich zehn Euro für einen Film bezahle, dann will ich, dass mir Jesus Christus erscheint.“ Wer seinen 93er-Film „Bad Lieutenant“ kennt, weiß, dass Ferrara sich solche Kraftmeiereien erlauben kann. In dem vom Katholizismus durchtränkten Cop-Drama gab sich Harvey Keitel wie besessen der Sünde hin und litt zugleich panisch-schwitzig am Unvermögen, der Versuchung zu widerstehen.
In Werner Herzogs Neuinterpretation von 2009 wurde die Geschichte von New York in das von Sturm und Hochwasser geplagte New Orleans verlegt. Eigentlich will Terence McDonagh (Nicolas Cage) seine 55-Dollar-Unterhosen nicht ruinieren, aber dann steigt er doch in die trübe Brühe, um einen vergessenen Gefangenen vor dem Ertrinken zu retten. Die gute Tat bringt ihm eine Beförderung, aber auch chronische Rückenschmerzen ein. Die nötigen Medikamente machen tranig; darum befeuert er sein Denkvermögen mit weißem Schnupfpulver.
Widrigkeiten und Wirrnisse drohen überhandzunehmen, als der korrupte Kollege in der Asservatenkammer nicht mehr liefert, als McDonagh sich bei seinem Buchmacher verschuldet und ihm ein wertvoller Zeuge abhandenkommt, weil sich der Lieutenant ständig um berufsfremde Dinge kümmert, von denen die meisten gegen geltendes Gesetz verstoßen. Bald glaubt man zu wissen, was kommt: die Chronik eines unaufhaltsamen Abstiegs. Aber kann es sein, dass McDonagh hellwach die Aufklärung des Mordes an einer ganzen Famlie vorantreibt und zugleich stumpf genug ist, in Anwesenheit eines Verdächtigen Gras zu rauchen und sich mit einem stadtbekannten Dealer einzulassen? Staunen machen auch augenzwinkernde Leguane und Krokodile. Weniger ein klassischer Krimi als ein galliges, zutiefst unmoralisches Schelmenstück.
■ „Bad Lieutenant“, Samstag, 0.30 Uhr, ARD
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