Fehlende Transparenz bei Handel: Geheime Deals mit den USA?
Vor seiner Anhörung im Europaparlament ist der designierte EU-Handelskommissar Phil Hogan unter Druck geraten. Aktivisten befürchten ein „TTIP light“.
Mit seinem Klima-Versprechen will Hogan die Europaabgeordneten milde stimmen. Zuletzt hatten sich die Parlamentarier über das geplante Handelsabkommen mit den Mercosur-Staaten empört. Österreich hat sogar schon mit einem Veto im Ministerrat gedroht. Die Brände am Amazonas passen schlecht zu einem klimafreundlichen Handelspakt.
Hogan versucht nun, die Bedenken mit wohlklingenden Ankündigungen zu zerstreuen. „Ich werde am Entwurf und an der Umsetzung einer Carbon Border Tax mitwirken, die mit den Regeln der Welthandelsorganisation WTO vereinbar ist“, kündigt der Kandidat in einer schriftlichen Stellungnahme an. Die Abgeordneten dürfte es freuen.
Doch nun droht neuer Ärger – bei einem alten Streitthema. Es geht um den Handel mit den USA. Seit den gescheiterten Verhandlungen über TTIP liegen die Nerven zwischen Brüssel und Washington blank. Jetzt soll ein Mini-Deal für etwas Entspannung sorgen. Die EU und die USA wollen Industriezölle senken und technische Regeln angleichen.
NGOs warnen vor einem „TTIP light“
Doch das sei nur die halbe Wahrheit, glauben Nichtregierungsorganisationen wie Attac, Lobbycontrol und der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland. In einem offenen Brief an Hogan und Noch-Handelskommissarin Cecilia Malmström, der am Montag veröffentlicht wird und der taz vorab vorlag, warnen sie vor einem „TTIP light“.
Die EU-Kommission überschreite ihr Mandat, vermuten die Kritiker. Die Behörde spreche mit den Amerikanern nicht nur, wie es offiziell heißt, über Industriezölle und sogenannte Konformitätsregeln, sondern auch über die „regulatorische Zusammenarbeit“. Dabei geht es um Gesetze und Normen, die den Handel betreffen.
„Dieser Mechanismus stellt eine unmittelbare Gefahr für den Verbraucher-, Arbeits- und Umweltschutz dar und bedroht auch die demokratische Entscheidungsfindung“, heißt es in dem Brief. Malmström und ihr designierter Nachfolger Hogan werden aufgefordert, die betreffenden Verhandlungen sofort auszusetzen.
Weiterhin mangelnde Transparenz
Allgemein werfen die Umwelt- und Verbraucherschützer der EU-Kommission mangelnde Transparenz vor. Die Brüsseler Behörde hatte zwar nach dem Debakel um TTIP Besserung gelobt. Doch das Versprechen sei nicht eingehalten worden, kritisiert Laura Große von LobbyControl. Die Kommission lege das Mandat des Ministerrats viel zu weit aus.
Allerdings steht die Brüsseler Behörde selbst unter Druck. So droht US-Präsident Donald Trump immer wieder mit neuen Strafzöllen für den Fall, dass die EU in den laufenden Gesprächen nicht zu größeren Konzessionen bereit sei. Trump möchte nicht nur über Industrie- und Autozölle sprechen, sondern auch über Agrarsubventionen.
Merkel für weitere Marktöffnung zugunsten der USA
Druck kommt auch aus Berlin. Deutschland will die angedrohten US-Zölle auf deutsche Autoexporte unbedingt vermeiden – und drängt Brüssel, Trump so weit wie möglich entgegenzukommen. Beim G7-Gipfel Ende August in Biarritz sprach sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) für eine weitere Marktöffnung zugunsten der USA aus. Das bisherige Verhandlungsmandat könne ausgeweitet werden.
Allerdings haben sich Frankreich und andere EU-Staaten strikt gegen eine solche Ausweitung der Verhandlungen ausgesprochen. Über die Landwirtschaft werde man auf keinen Fall reden, heißt es in Paris. Die EU-Kommission agiert deshalb in einer Grauzone. Malmström und Hogan versuchen, es allen recht zu machen – und schweigen.
Drohende Eskalation
In seiner Stellungnahme für das Europaparlament geht Hogan auf den Handelsstreit mit den USA mit keinem Wort ein. Auch Trumps Drohung mit neuen Strafzöllen lässt er unerwähnt. Dabei könnte der Konflikt schon bald eskalieren.
Die WTO will den USA erlauben, im Streit über Subventionen für Airbus EU-Importe im Wert von schätzungsweise 7,5 Milliarden Euro mit Zöllen zu belegen. Die USA dürften sich diese Gelegenheit nicht entgehen lassen – Trump könnte noch in dieser Woche zuschlagen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Vermeintliches Pogrom nach Fußballspiel
Mediale Zerrbilder in Amsterdam
Kritik am Deutschen Ethikrat
Bisschen viel Gott
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Berichte über vorbereitetes Ampel-Aus
SPD wirft FDP „politischen Betrug“ vor
Toxische Bro-Kultur
Stoppt die Muskulinisten!
Scholz telefoniert mit Putin
Scholz gibt den „Friedenskanzler“