piwik no script img

Wagentage in BerlinRichtig gut organisierte Besetzer

Wagentage: Erstmals wird in Marzahn ein Wagenplatz besetzt. Aktivist*innen von DieselA wollen mit Bahn und Senat verhandeln.

Geschafft: der erste Wagenplatz in Marzahn ist besetzt Foto: Darius Ossami

Freitagabend auf dem Parkplatz eines Baumarktes in Lichtenberg: 40 Leute setzen sich auf Lkw und Fahrrädern in Richtung Marzahn in Bewegung. Dort, kurz hinter dem S-Bahnhof Friedrichsfelde Ost, hat die Wagengruppe „DieselA“ soeben ein Brachgelände der Deutschen Bahn besetzt. Weitere Unterstützer*innen treffen ein, bis sich schließlich über 100 Menschen, etwa 40 Wagen und unzählige Hunde auf dem mehrere Hektar großen Gelände tummeln.

Die Besetzung ist gut organisiert, überall wird gesägt und geschraubt. Die Besetzer*innen verbarrikadieren das Eingangstor, errichten einen Schutzzaun zu den Bahngleisen, bauen Tresen, Bühne und Klo. Strom kommt vom Generator, Wasser aus einem mitgebrachten Wassertank. Das Gelände ist nun einer von über 20 Wagenplätzen in Berlin und der erste in Marzahn.

Die Besetzung ist eine Aktion im Rahmen der „Wagentage“, die an diesem Wochenende in Berlin stattgefunden haben, um „auf die zunehmende Bedrohung von Wagenplätzen durch die aktuelle Stadtentwicklung in Berlin aufmerksam zu machen“, wie es in einem Flugblatt der Besetzer*innen heißt. Der geplante Bau der A100 würde Wagenplätze wie Fips und Scheffelstraße verdrängen, bei anderen Plätzen wie Lohmühle und Laster&Hänger laufen bald die Verträge aus. „Verdrängung betrifft uns alle!“. Nun findet sich DieselA ausgerechnet in Marzahn wieder.

Die Wagentage begannen am Freitag mit einer Stadtrallye, bei der etwa 30 Teams verschiedene Aufgaben lösen sollten: Ein Kettcar mit Anhänger rückwärts durch ein Tor fahren, den Geruch von Diesel und „Pfeffi“ unterscheiden und so weiter. Die Rallye endete an drei Treffpunkten, wer Polizeibegleitung mitbrachte, dem drohte Punktabzug. Doch niemand nahm Notiz von den kleinen Fahrrad- und Lkw-Konvois, die schließlich von drei verschiedenen Treffpunkten nach Marzahn fuhren.

Der Plan: zu bleiben!

Am Samstag ist der Platz immer noch besetzt, es gibt Sauerkraut mit Tofu und dazu ein Plenum. In der Nacht hat die Polizei, die nicht auf das Gelände gelassen wurde, einzelne Platzverweise erteilt, sich aber ansonsten zurückgehalten. Zwei Vertreter*innen von DieselA sitzen zufrieden am Infotisch in der Sonne, sie nennen sich Anna Kante und Ole Zimmer. Sie haben schon Kontakt zur Bahn aufgenommen, erzählen sie, bisher aber ohne Reaktion, schließlich ist Wochenende. Auch mit dem Senat und dem Bezirk wollen sie verhandeln.

DieselA bezeichnet sich als queerfeministische Gruppe und hat im Mai bereits einen Platz an der Rummelsburger Bucht besetzt. Unter anderem wird gefordert, dass bedrohte Projekte wie die Liebigstraße 34 oder eben die Wagenplätze erhalten bleiben und dass die A100 nicht gebaut wird. Mit der Besetzung in Marzahn will sie zudem einen kollektiven, selbstverwalteten Gegenentwurf gegen die Vereinzelung schaffen. Anna nennt es den „Traum vom antikapitalistischen freien Leben“, den es in einer teuren Mietwohnung nicht gebe.

„Unser Plan ist auf jeden Fall zu bleiben“, betont Ole, „wir haben ja ein cooles Projekt anzubieten.“ Ein soziokulturelles Zentrum soll es werden, mit Kulturveranstaltungen, Workshops und Konzerten. Das hätte schließlich einen „gesellschaftlichen Mehrwert“, was ja nur im Interesse der Stadt sein könne. Auch zur Nachbarschaft hätten die Besetzer*innen schon Kontakt aufgenommen und seien auf positive Resonanz gestoßen, versichert Anna.

Das Einweihungskonzert am Samstagabend wurde zwar wegen der Nachbarschaft extra vorverlegt, war einigen Nachbar*innen aber wohl doch zu laut und wurde schließlich abgebrochen. Nun stehen Verhandlungen an und am Wochenende die „Tu mal wat“-Aktionstage, mit denen die Besetzung nicht direkt zusammenhängt, aber: „Wir solidarisieren uns und wir tun wat“, so Ole.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare