Lars Penning
Filme aus dem Archiv –
frisch gesichtet
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Der kleine Laden des Gitarrenbauers Rick Kelly in Greenwich Village ist in mehrfacher Hinsicht ein Relikt: Dort baut Kelly mit seiner Auszubildenden Cindy handgefertigte Gitarren aus historischem Holz, das er auf New Yorker Baustellen und in Abbruchhäusern findet, und dort parliert er auch mit seinen zum Teil berühmten Kunden über die Veränderungen im Viertel. Der Dokumentarfilm „Carmine Street Guitars“ des kanadischen Regisseurs Ron Mann ist dabei so unaufgeregt wie die beiden Hauptprotagonisten, die in einer sich immer schneller drehenden Welt stur ihrer handwerklich-künstlerischen Arbeit nachgehen. Natürlich geht es auch um Gitarren und Musik: Da werden die Vorzüge der ersten seriell gebauten elektrischen Gitarre erörtert, oder Jazzgitarrist Bill Frisell spielt Instrumentalhits aus seiner Kindheit in den frühen 60ern. Vor allem aber ist der Film ein Dokument des Wandels, des Verschwindens jenes „alten“ New Yorks, das Kelly in seinen Gitarren zu bewahren sucht: Das Haus nebenan wurde gerade verkauft, und der Makler schaut prophylaktisch auch bei Rick und Cindy schon mal herein (19. 9., 23. 9., 25. 9., 14 Uhr, Tilsiter Lichtspiele).

Mit dem resignativen Grundton der erzählten Geschichten war der sogenannte Poetische Realismus des französischen Kinos der späten 1930er Jahre ein klarer Vorläufer des amerikanischen Film noir. Zu besonderer Meisterschaft brachten es dabei Regisseur Marcel Carné, sein Autor Jacques Prévert und der Filmarchitekt Alexandre Trauner: In „Le jour se lève“ (1938) erzählen sie die Geschichte von den letzten Stunden des einfachen Arbeiters François (Jean Gabin), der den Verführer seiner Freundin erschossen und sich in seinem Zimmerchen vor der Polizei verschanzt hat. Dort rekapituliert er schicksalsergeben noch einmal die Ereignisse der letzten Tage. Ein Postkarten-Paris gibt es hier nicht zu sehen, stattdessen Bilder eines tristen Vororts, wo die kleinen Häuschen an den Bahngleisen vom Dampf der Lokomotiven eingehüllt werden und trostlose Mietskasernen in Reih und Glied stehen (20. 9., 18 Uhr, Filmmuseum Potsdam).

In der Reihe „Filmgeschichte im Doppelpack“ läuft als Ergänzung zu „Le jour se lève“ dann allerdings nicht das Hollywood-Noir-Remake „The Long Night“ (1947) mit Henry Fonda, sondern Andrzej Waj­das „Der Kanal“ (1957), ein Drama über Widerstandskämpfer im Warschauer Aufstand 1944, das mit der Aussichtslosigkeit des Unterfangens und den diffusen Lichtstimmungen an die Carné/Prévert-Filme der Vorkriegszeit erinnert (20.9., 20 Uhr, Filmmuseum Potsdam).