Jukebox

Brillant anecken

Im Grunde war Thelonious Monk ganz unten, als er 1955 bei dem neu gegründeten Label Riverside unterzeichnete. Die meisten Leute dachten, er könne nicht spielen, und hielten seine eigenwillige Art, klaffende Löcher in seinen Improvisationen zu lassen, bestenfalls für Ausläufer seiner schrulligen Exzentrik. Seine Verträge mit anderen Labels waren ausgelaufen und nach einem Gefängnisaufenthalt wegen Drogenbesitzes hatte er 1951 auch noch seine Mitgliedschaft in der Musikergewerkschaft verloren – was einem Auftrittsverbot gleichkam.

So groß Monk einem heute vorkommt, so runtergekommen war er damals. Und dann durfte er nicht mal seine eigenen Stücke aufnehmen. Bis zu „Brilliant Corners“ von 1957, seinem dritten Album für Riverside, musste er damit warten. Doch sei es der wunderbare Dialog mit dem musikalisch eigentlich ganz anders tickenden Tenorsaxofonisten Sonny Rollins, dessen melodisch-rauer Sound den perfekten Kontrapunkt zu Monks klusterigem Klimpern setzt, oder das unbegleitete „Bemsha Swing“, das Monk in den letzten zehn Studiominuten einspielte, weil noch Zeit war: mit „Brilliant Corners“ gelang ihm die öffentlichkeitswirksame Verwandlung seines bedingungslosen Eigensinns vom karrierehinderlichen Spinnertum zur künstlerischen Großindividualität.

Künstler wie Monk begründen keine Schulen, sie laden zur obsessiven Beschäftigung ein. Und neben dem im vergangenen Jahr verstorbenen Sopransaxofonisten Steve Lacy dürfte es kaum jemanden geben, der so tief in den Monk’schen Kosmos eingetaucht ist wie der Berliner Pianist Alexander von Schlippenbach. „Monk’s Casino“ nennen er und

Axel Dörner (Trompete), Rudi Mahall (Bassklarinette), Jan Roder (Bass) und Uli Jennessen (Schlagzeug) ihr Projekt, für das sie das gesamte Songbook Monks eingespielt haben. Eine ungewöhnliche Kombination, die sich mit Mahalls Bassklarinette manchmal anhört wie das wahre match in heaven, als würden Monk und Eric Dolphy zusammen spielen. Siebzig Stücke auf drei wunderbaren CDs. Und am morgigen Samstag spielen sie ab 18 Uhr eines ihrer viel zu seltenen Konzerte in der Konzertscheune der Galerie Mutter Fourage in der Chausseestraße 15a am Wannsee. TOBIAS RAPP