Kritik kommt aus dem Islam selbst

Ein Bremer Verfassungsschützer hat innerislamische Positionen gegenüber der Salafiyya untersucht

Von Lotta Drügemöller

Wenn sich der Bremer Verfassungsschutz mit MuslimInnen beschäftigt, dann handelt es sich für gewöhnlich um die etwa 540 SalafistInnen in Bremen oder die „niedrige zweistellige Zahl“ radikalisierter DschihadistInnen. Hazim Fouad, der als Wissenschaftler beim Verfassungsschutz arbeitet, hat sich stattdessen der breiten Mehrheit angenommen – und untersucht, wie Salafismus innerhalb der islamischen Welt besprochen wird. In seiner Doktorarbeit an der Uni Kiel kommt er zu dem Ergebnis: Die Kritik ist breit, in muslimischen Ländern ebenso verbreitet wie in der Diaspora, und sie kommt aus verschiedenen Lagern.

Nur etwa 0,25 Prozent der etwa 5.000.000 Muslime in Deutschland bekennen sich zur Salafiyya. In Städten ist der Anteil etwas höher als auf dem Land, in Hamburg sind es 0,32, in Bremen etwa 1 Prozent. Die Salafiyya bezieht sich in ihrer Selbstsicht auf die Altvorderen des Islam und predigt eine wörtliche Auslegung von Koran und Sunna.

Salafisten sind nicht gleich gewaltbereite Muslime. Allerdings haben sich viele Dschihadisten in einem salafistischen Milieu radikalisiert; die Salafiyya steht deshalb unter Beobachtung des Verfassungsschutzes. „Populisten von der AfD unterscheiden aber nicht zwischen Muslimen, Salafisten und Dschihadisten“, so Bremens Innensenator Ulrich Mäurer (SPD). „Deshalb ist es wichtig, dass Fouads Studie die innerislamische Kritik an den Salafisten aufzeigt.“

Laut dieser Studie grenzen sich konservative Rechtsschulen ebenso gegen die Salafiyya ab wie mystische oder liberale Kreise. Angezweifelt wird die theologische Bildung der Salafisten. Auch ihr behaupteter Rückbezug auf die ersten Muslime wird historisch widerlegt, und mit eigenen Auslegungen von Koran und Sunna werden die Lehrsätze der Salafiyya theologisch umgedeutet. Es gibt aber auch pragmatischere Kritik, so Fouad. Ein Argument: Die Konfrontation mit der westlichen Gesellschaft biete keine produktiven Lösungen für die Probleme von Muslim*innen – und sei deshalb abzulehnen.

Die meisten Texte, die Fouad zum Thema gefunden und analysiert hat, sind auf Englisch oder Arabisch verfasst. Inwieweit die breite Ablehnung der islamischen Geisteswelt auch bei einfachen Gläubigen in deutschen Moscheen ankommt, kann die Studie damit nicht zeigen. „Eine Feldforschung in Moscheen, wie solche Diskussionen hier geführt werden, wäre als Folgearbeit interessant“, so Fouad. Dierck Schittkowski, Leiter des Bremer Landesamts für Verfassungsschutz, verweist auf Bremer Fälle, in denen Salafisten aktiv aus der Moschee gejagt wurden. Außenstehende bekämen davon selten etwas mit – die Gemeinden trügen ihre Kritik nicht offensiv nach außen.

Schwierig bleibt die Abgrenzung aus finanziellen Gründen: Gemeinden, die sich dem Salafismus nicht verwehren, können auf Geld aus den (wahhabitisch-salafistischen) Golfstaaten hoffen.

„Deshalb ist es wichtig, dass muslimische Gemeinden Bundesgelder beantragen“, betont Fouad. Die neu eingerichteten Lehrstühle für Islamische Theologie, etwa in Osnabrück und Hamburg, sind ein weiterer Schritt für die Unabhängigkeit deutscher Moscheen.