: Wohnraumkrise ungedeckelt
Wohnungen für 1.000 Euro, 9 Euro pro Quadratmeter: In Städten wie Wolfsburg steigen die Mieten um mehr als 60 Prozent. Dieser Wahnsinn muss aufhören, findet die Linkspartei
Von Simone Schmollack
1.184 Euro für eine 78 Quadratmeter große Wohnung in Hannover. So jedenfalls bietet es ein Immobilienportal an. Ein angemessenes WG-Zimmer ist in Niedersachsens Hauptstadt nicht unter 350 Euro zu bekommen. In Göttingen kostet eine 73 Quadratmeter große Wohnung 750 Euro, in Lüneburg gibt es für 1.090 Euro 100 Quadratmeter. Zuzüglich Nebenkosten, versteht sich.
Die Mieten sind – wie fast überall in Deutschland – auch in Niedersachsen rasant in die Höhe geklettert. Seit 2012 sind die Mietpreise laut einer Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Kleine Anfrage der Linkspartei zwischen 30 und 40 Prozent gestiegen. In Wolfsburg beträgt die Preissteigerung sogar 63 Prozent. Dort kostet der Quadratmeter durchschnittlich 8,76 Euro.
„Mietspitzenreiter“ ist mit einem Durchschnittsquadratmeterpreis von 9,52 Euro Lüneburg. Eine Ursache für die Mietenexplosion in der mittelgroßen Stadt dürften unter anderem die Leuphana-Universität und das Niedersächsische Oberverwaltungsgerichts mit einem Angebot an attraktiven Studienplätzen und Jobs sein. Aber auch in der Universitätsstadt Göttingen beträgt der Quadratmeterpreis derzeit durchschnittlich 9,06 Euro. Und das, obwohl in Städten wie Lüneburg, Wolfsburg und Hannover die Mietpreisbremse gilt.
Angesichts dieser Entwicklung fordert die Linkspartei in Niedersachsen einen sogenannten Mietendeckel. Der werde dringend gebraucht, meint Heidi Reichinnek, niedersächsische Linken-Chefin. Bei extrem hohen Mieten müsse es zudem möglich sein, die Mieten kappen zu können, so Reichinnek. Notfalls sollte auch darüber nachgedacht werden, große Wohnungskonzerne zu enteignen. „Bauen in öffentliche Hand, Mieten deckeln, enteignen. Nicht weniger als das. Bezahlbares Wohnen ist Menschenrecht!“, twitterte Reichinnek dazu. Das stößt bei Olaf Lies, Niedersachsens Umwelt- und Bauminister, auf Widerspruch. Er ziehe Medienberichten zufolge weder Enteignungen noch den „Mietendeckel“ in Betracht.
Der „Mietendeckel“ wird derzeit in Berlin heftig debattiert. Danach sollen aktuelle Mieten für fünf Jahre eingefroren, also nicht erhöht werden. Außerdem sollen Höchstmieten festgelegt werden. Der Berliner Senat, eine Koalition aus SPD, Linke und Grüne, hatte im Juni den „Mietendeckel“ beschlossen, der ab 2020 gelten soll.
Heidi Reichinnek, Linke Niedersachsen
Ob der „Mietendeckel“ kommt, ist allerdings fraglich, er ist unter anderem rechtlich umstritten. So gibt Hans-Jürgen Papier, Ex-Chef des Bundesverfassungsgerichts, zu bedenken, dass das Land Berlin gar keine Gesetzgebungskompetenz besitze, um eine solche Mietenregelung eigenständig einzuführen.
Kritiker*innen aus der Baubranche warnen davor, dass der „Mietendeckel“ einen dringend nötigen Neubau verhindere, weil die zu erwartenden Renditen ausfielen. Dieses Szenario unterstreichen Wirtschaftseinrichtungen wie das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin und das Institut der Deutschen Wirtschaft in Köln. Sie argumentieren, dass der „Mietendeckel“ die Wohnraumkrise nicht dämpfen, sondern verschärfen werde.
In Niedersachsen dürften die Vorschläge der Linken ohnehin wenig Erfolg haben. Die Partei ist im Landtag nicht vertreten, bei der Bundestagswahl 2013 hatte sie den Wiedereinzug verpasst.
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