Dili und Jakarta ziehen strittigen Schlussstrich

Indonesien und Osttimor entsorgen nicht aufgearbeitete Menschenrechtsverletzungen in eine harmlose Kommission

BERLIN taz ■ Im Beisein der Präsidenten Indonesiens und Osttimors ist gestern auf der indonesischen Insel Bali eine bilaterale „Wahrheits- und Freundschaftskommission“ gegründet worden. Ihr gehören je fünf Mitglieder beider Staaten an, und sie soll laut Statuten in den nächsten ein bis zwei Jahren Menschenrechtsverletzungen um das Unabhängigkeitsreferendum 1999 in Osttimor aufarbeiten. Sie kann Amnestien, aber keine Anklagen empfehlen.

Indonesiens Präsident Susilo Bambang Yudhoyono, ein Exgeneral, bezeichnete die Kommission als Zeichen für die Stabilität der bilateralen Beziehungen. Sie zeige den Willen, sich zu versöhnen und nach vorn zu schauen. Er räumte ein, dass es mehr um Wahrheit und weniger um Gerechtigkeit gehe. Osttimors Präsident Xanana Gusmao, ein Exguerillaführer, sprach von einem konstruktiven Schritt beider Staaten, die eine „nicht so angenehme Geschichte“ hätten.

Die frühere portugiesische Kolonie Osttimor wurde 1975 von Indonesien besetzt und ist seit 2002 unabhängig. Der indonesischen Besatzung fielen etwa 200.000 Menschen zum Opfer. Die neue Kommission konzentriert sich nur auf Ereignisse um das Referendum 1999. Damals töteten proindonesische Milizen im mutmaßlichen Auftrag indonesischer Militärs etwa 1.500 Osttimoresen und vertrieben weitere 230.000. Ein Tribunal in Jakarta sprach 2003 17 der 18 Angeklagten frei, in einem Fall läuft die Berufung noch.

Ein von UN-Generalsekretär Kofi Annan eingesetztes Expertenteam bezeichnete das Tribunal in seinem im Juli vorgelegten Bericht als Farce. Kritisiert wurde auch, dass Indonesiens damaliger Militärchef Wiranto gar nicht angeklagt worden war.

Die neue Kommission läuft dem Rat des Expertenteams zuwider. Dieses hatte gefordert, dass Indonesien das Tribunal fortsetzt, den Kreis der Angeklagten erweitert und nach internationalen Standards arbeitet. Sollte dies innerhalb von sechs Monaten nicht erfolgen, solle der UN-Sicherheitsrat ein internationales Strafgericht einrichten. Auch solle Osttimors in diesem Mai geschlossenes Sondergericht weiter arbeiten.

Für die Experten kann es Versöhnung und gute Nachbarschaftsbeziehungen nur auf Basis von Gerechtigkeit geben, weshalb die Verfolgung schwerer Menschenrechtsverletzungen unumgänglich sei. Darin werden die Experten von Menschenrechtsorganisationen bestärkt sowie von Opfergruppen und Osttimors katholischer Kirche. Die Bischöfe lehnen die Kommission ab: „Katholiken können die Regierungspolitik der Straflosigkeit nicht unterstützen.“

Für Präsident Gusmao erfuhr Osttimor dagegen mit seiner Unabhängigkeit Gerechtigkeit. Ein internationales Tribunal sei zu teuer und würde nur Indonesien gegen Osttimor aufbringen. Und westliche Staaten zögern, Indonesien an den Pranger zu stellen, da sie das für den „Krieg gegen den Terror“ wichtige muslimische Land nicht verprellen wollen. Osttimoresen, die Gerechtigkeit fordern und auf international anerkannte Prinzipien pochen, sind empört. SVEN HANSEN