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Antifa-Fahrradtour im Visier

Weiter Verwirrung um die Ermittlungen gegen Teilnehmer eines antifaschistischen Fahrradkorsos

Von Malene Gürgen

Wird in Berlin gegen 34 Menschen wegen des Verdachts der Bildung einer kriminellen Vereinigung ermittelt, nachdem diese 2017 an einem antifaschistischen Fahrradkorso gegen den rechtsextremen Heß-Gedenkmarsch teilgenommen hatten? Um diese Frage gibt es weiter Verwirrung. Die taz hatte bereits Ende Juli berichtet, die Polizei habe zwar zu Beginn wegen dieses Anfangsverdachts ermittelt, die Staatsanwaltschaft ermittle aber inzwischen nur noch wegen schweren Landfriedensbruchs – so hatten es Polizei und Staatsanwaltschaft der taz damals selbst mitgeteilt.

Die Innenverwaltung gab nun aber in einer am Dienstagabend veröffentlichten Antwort vom 29. August auf eine diesbezügliche Anfrage der Linken-Abgeordneten Niklas Schrader und Anne Helm an, die Ermittlungen seien keineswegs eingestellt – und auch wegen des Verstoßes gegen Paragraf 129, also der Bildung einer kriminellen Vereinigung, werde weiter ermittelt.

Von der Polizei war am Mittwoch bis Redaktionsschluss keine Stellungnahme zu erreichen. Der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Martin Steltner, sagte auf taz-Anfrage, die Ermittlungen wegen Paragraf 129 seien eingestellt – allerdings erst „kürzlich, vor ein paar Tagen“. Ob es sich um eine komplette Einstellung handele oder ob weiter wegen des Verdachts auf schweren Landfriedensbruch ermittelt werde, könne er nicht sagen.

Die Ermittlungen waren damals ein­geleitet worden, nachdem ein AfD-Mitglied Anzeige erstattet hatte, nachdem es an einem Wahlwerbestand der AfD, an dem die antifaschistische Fahrradtour vorbeifuhr, zu Rangeleien gekommen war. Die Ermittlungen wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung sind deswegen so erstaunlich, weil dieser Straftatbestand von einer auf Dauer angelegten Gruppe ausgeht, für die die Bedeutung von Straftaten im Zentrum steht – die Teilnehmer des Fahrradkorsos von der Innenstadt zum Heß-Marsch in Spandau kannten sich größtenteils vorher nicht einmal. Mittlerweile ist außerdem bekannt geworden, dass auch eine Zivilpolizistin an der Fahrradtour teilgenommen hatte.

„Es leuchtet mir überhaupt nicht ein, warum offenbar so leichtfertig mit diesem Tatvorwurf umgegangen wird“, sagte Niklas Schrader, innenpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, am Mittwoch der taz. Zumal diese Ermittlungen, selbst wenn sie eingestellt werden, schwerwiegende Konsequenzen für die Betroffenen haben: Wie die Innenverwaltung in ihrer Antwort bestätigte, sind alle 34 Betroffenen in der bundesweit einsehbaren Gewalttäterverbunddatei gespeichert. „Wir kritisieren schon seit Jahren, dass solche Daten nicht nach Einstellung der Verfahren gelöscht werden, sondern wenn, überhaupt erst dann, wenn die Betroffenen sich selbst aktiv um die Löschung bemühen“, so Niklas Schrader am Mittwoch zur taz.

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