verkehrspolitik
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Große Ratlosigkeit

ParteipolitikerInnen auf Landes- und Bundesebene streiten über die Konsequenzen nach dem schweren Unfall mit einem SUV-Geländewagen

Am Freitagabend kam es in Berlin-Mitte zu einem schweren Verkehrsunfall mit vier Toten, darunter ein Kleinkind. Der Fahrer eines Sportgeländewagens lenkte das Auto aus bisher ungeklärten Gründen auf den Bürgersteig. Möglicherweise hat ein medizinischer Notfall des SUV-Fahrers zu dem schrecklichen Ereignis geführt, heißt es bei den Behörden. Wie üblich bei Unfällen mit Todesfolge ermittelt die Polizei wegen fahrlässiger Tötung. Am Samstag fand an der Unfallstelle eine Mahn­wache statt. Der Vorfall hat bundesweit eine Debatte über SUVs in den Innenstädten sowie alternative Verkehrskonzepte zur Unfallvermeidung ausgelöst. (taz)

von Simon Schramm

Vier Menschen sind am vergangenen Freitag in der Berliner Innenstadt ums Leben gekommen. Der Fahrer eines SUV-Geländewagens war am Abend mit seinem Auto von der Straße abgekommen und hatte vier Fußgänger tödlich verletzt. Die Polizei ermittelt derzeit, wie es zu dem Unfall kommen konnte, gleichzeitig ist eine Debatte darüber entstanden, wie solche Unfälle in Zukunft verhindert werden könnten.

Der stellvertretende Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Oliver Krischer, fordert eine „Obergrenze für große SUVs in den Innenstädten. „Am besten wäre eine bundesrechtliche Regelung, die es Kommunen erlaubt, bestimmte Größenbegrenzungen zu erlassen“, sagte Krischer dem Tagesspiegel. Widerspruch kam am Montag aus der eigenen Partei: Grünen-Vorsitzende Katrin Göring-Eckardt lehnte am Montagmorgen ein Verbot ab und verlangte, Autos durch Steuern teurer zu machen. Die Berliner Verkehrssenatorin und Grünen-Politikerin Regine Günther sagte: „Wir müssen analysieren, wie es zu diesem schrecklichen Unfall kommen konnte, bevor wir Konsequenzen ziehen können.“

Ist die Forderung nach einem SUV-Verbot verfrüht? Auch das Verkehrsministerium will erst die Ermittlungen abwarten, bevor es mögliche Konsequenzen zieht. CSU-Politiker Ulrich Lange, der im Verkehrsausschuss im Bundestag sitzt, sagte der taz: „Diese Debatte ist nicht zielführend. Dieser tragische Unfall eignet sich nicht dafür, die Keule gegen bestimmte Fahrzeugtypen zu schwingen.“

„Wir müssen analysieren, wie es zu diesem schrecklichen Unfall kommen konnte“

Berliner Verkehrssenatorin Regine Günther (Grüne)

Die verkehrspolitische Sprecherin der Linken im Bundestag, Ingrid Remmers, spricht sich ebenso gegen ein pauschales SUV-Verbot für die Innenstädte aus. „Wenn ein SUV innerhalb weniger Sekunden von 0 auf 100 Kilometer pro Stunde beschleunigt, ist das Fahrzeug fast wie eine Waffe im Straßenverkehr“, sagte sie der taz. Das gelte aber auch für andere Fahrzeuge. Ihr akuter Lösungsvorschlag: „Wir brauchen ein Tempolimit.“ Auf lange Sicht solle es den Kommunen freigestellt werden, ob sie den Platz für größere Fahrzeuge in den Innenstädten beschränken – dazu sei allerdings erst der Ausbau von Alternativen wie dem öffentlichen Nahverkehr erforderlich, weil viele immer noch auf den Pkw angewiesen seien.

Ähnlich sieht das auch Jens Hilgenberg, Verkehrsexperte vom Bund für Umwelt- und Naturschutz. Er kritisiert, dass viele SUV-Geländewagen mit Dieselmotoren immer noch steuerlich gefördert werden – und als Dienst- und Firmenwagen genutzt werden. Die FDP warf den Grünen vor, den Unfall zu instrumentalisieren. „Schlicht geschmacklos“ sei der Vorstoß der Grünen, sagt der stellvertretende FDP-Bundestagsfraktionsvize Frank Sitta, „zumal die Unfallursache noch gar nicht geklärt ist“. Kirsten Lühmann, verkehrspolitische Sprecherin der SPD, sagte der taz: „Es ist unseriös, wenn auf Grundlage des tragischen Unfalls in der vergangenen Woche konkrete politische Forderungen gestellt werden.“