berliner szenen
: Adorno tanzt die Immobilie

Der Galerist Johann König sagte in einem Interview, dass seine Kinder es spannend fänden, wenn Michael Ballack ein Bild bei ihm kaufen würde. Dann sagte er noch: „Alles ab 2,40 Meter wird schwierig, weil es in New York nicht mehr in den Aufzug passt.“ Nachdem ich das Interview gelesen hatte, dachte ich den etwas steilen Gedanken, dass es nicht möglich ist, einen Bestseller zu schreiben, wenn man die Besitzverhältnisse, in denen man lebt, grundsätzlich ablehnt.

Es ist Dienstagabend. Ich sitze in dem Café, in dem ich sitze, wenn ich schreiben sollte und keine Lust darauf habe. Das Café hat WLAN, aber ich möchte das Passwort nicht kennen. „Adorno ist auf der Bestsellerliste“, sagt die Frau zwei Tische weiter zu dem Mann, der zehn Minuten über den Wohnungsmarkt in Berlin dozierte, währenddessen sie ihre Oberschenkel streichelte, sich irgendwann krümmte und den Kopf in ihre Hände nahm. Der Mann, der einen Kapuzenpullover trägt, sieht sie irritiert an. „Adorno, kennst du den? Total verkopft!“, sagt die Frau. Der Mann lehnt sich zurück. „Na, was denkst du, klar kenne ich Adorno. Total verkopft!“ Sie streichelt wieder ihre Oberschenkel und sagt: „Der hat getanzt!“ Der Mann rührt mit seinem Zeigefinger in der Luft und sagt: „Ach was, Adorno hat nicht getanzt!“

Er macht weiter: Wohnungsmarkt in Hamburg, Peking, Rio, die Zusammenhänge, das große Ganze, er kennt die Welt, und er wünscht sich, dass die Welt auch ihn kennt. Irgendwann, als der Mann zu den italienischen Immobilienpreisen abbiegt, steht die Frau auf und geht wortlos aus dem Café. So einfach ist das: Wir sind die erste Generation, die in Kapuzenpullovern alt wird, Männer erklären die Welt, ­Adorno ist auf der Bestsellerliste, es ist immer gut, den Ausgang zu kennen, und alles ab 2,40 Meter wird schwierig. Björn Kuhlig