Silke Mertins zur jüngsten Bedrohung Israels durch Iran
: Jenseits der Bombe

Nichts kommt einem Wahlkämpfer so gelegen wie eine äußere Bedrohung. Er kann, in Gummistiefeln durch den Schlamm stapfen, Opfern einer Flut beistehen oder militärische Attacken mit einem entschlossenen Befehl zum Gegenschlag kontern. Was liegt also näher, als auch bei den Angriffen der israelischen Armee auf die proiranische Palästinensergruppe Volksfront für die Befreiung Palästinas – Generalkommando (PFLP-GC) im Libanon davon auszugehen, dass Ministerpräsident Benjamin Netanjahu kurz vor den Wahlen versucht, sich im Namen der Verteidigung Israel einen Vorteil zu verschaffen?

Falsch ist diese Deutung der Luftangriffe dennoch. In der internationalen Wahrnehmung geht es stets nur um die Gefahr einer iranischen Atombombe für den jüdischen Staat. Auch Netanjahu selbst ist geradezu besessen von der möglichen nuklearen Bewaffnung der Islamischen Republik. Er hat das Atomabkommen bekämpft und US-Präsident Donald Trump dazu gebracht, den Deal platzen zu lassen. Doch während es in den vergangenen Jahren immer wieder um das Für und Wider des Abkommens oder neue Sanktionen gegen Iran ging – also um die immer gleichen Fakten und Argumente –, hat sich in Israels Nachbarschaft ganz konkret etwas dramatisch verändert. Iran steht jetzt nicht mehr nur in der Gestalt von Stellvertretern an den israelischen Außengrenzen, sondern durch den Bürgerkrieg in Syrien auch ganz direkt mit eigenen Truppen. Israel hat mit Luftangriffen immer wieder versucht zu verhindern, dass feste Militärbasen in Syrien entstehen. Ob erfolgreich oder nicht, ist noch nicht entschieden.

Netanjahu möchte, dass ein Atomabkommen mit den außenpolitischen Aggressionen Teherans verknüpft wird. Der Wunsch ist verständlich. Die ganz konventionelle Bedrohung ist für Israel derzeit konkreter und vielleicht auch größer als die nukleare. Doch es hat sich in Abrüstungsverhandlungen bewährt, andere Konfliktfelder auszuklammern. Diese Strategie zu ändern, würde vor allem eines bedeuten: Es käme nie zu einer Einigung.

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