Umweltfreundlicher Treibstoff für Flugzeuge ist möglich, aber teuer

Wissenschaftler eines Forschungsprojekts erzeugen solares Kerosin – unter Einsatz von 2.500-fach konzentriertem Sonnenlicht. Der Sprit kostet bei Weitem mehr als herkömmlicher

Noch liegen Welten zwischen der Machbarkeit und der wirtschaftlichen Sinnhaftigkeit

Von Bernward Janzing

Flugzeuge können auch mit Solarenergie abheben – technisch ist das überhaupt kein Problem. Mehrere europäische Forschungsinstitutionen und Firmen haben in Spanien auf dem Gelände des Imdea Energy Instituts in Móstoles eine Anlage errichtet, die solares Kerosin erzeugt. Beteiligt sind unter anderem die Eidgenössische Technische Hochschule (ETH) Zürich, das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Köln und als Projektkoordinator der Bauhaus Luftfahrt e. V. aus dem Raum München.

Erzeugt wird das solare Kerosin folgendermaßen: Ein Heliostatenfeld – das sind Spiegel, die dem Lauf der Sonne folgen – konzentriert das Sonnenlicht um den Faktor 2.500. Auf diese Weise erzeugt es Temperaturen um 1.500 Grad. Mit dieser Wärme produziert ein von der ETH Zürich entwickelter Reaktor durch eine thermochemische Reaktion aus Wasser und CO2 ein sogenanntes Synthesegas, eine Mischung aus Wasserstoff und Kohlenmonoxid. Dieses Gas wird anschließend nach einem fast 100 Jahre alten Prinzip – der Fischer-Tropsch-Synthese – zu Kerosin verflüssigt. „Sun to Liquid“ nennt sich das gesamte Projekt, das über einen Zeitraum von vier Jahren durch die Europäische Kommission gefördert wird.

Das synthetische Kerosin ist im Flugverkehr problemlos nutzbar, ob als Beimischung zum fossilen Kerosin oder in Zukunft auch als Reinstoff. Aus technischer Sicht sind synthetische Treibstoffe, an denen Forscher auch für den Automobilsektor seit Jahren arbeiten – zum Beispiel aus Biomasse – , längst über alle Zweifel erhaben. Denn sie können sogar besser sein als Kraftstoffe aus fossilem Öl, weil sie noch homogener produzierbar sind.

Wenn nur die ganzen anderen Probleme nicht wären – nämlich die notwendigen Flächen, die geringe energetische Effizienz, die hohen Kosten. Für eine Anlage, die täglich 1.000 Barrel Sonnenkerosin erzeugt (ein Barrel sind 159 Liter), benötigt man eine Fläche von 38 Quadratkilometern. Um allein den Bedarf der deutschen Fluglinien zu decken, bräuchte man etwa 180 Anlagen solcher Größe. Man muss also schon ausgesprochen visionär denken, um – wie das DLR – von „unbegrenzter Versorgung mit nachhaltigen Kraftstoffen“ zu schwärmen und davon, dass die „zukünftige globale Kerosinnachfrage durch regenerative solare Kraftstoffe gedeckt werden“ könne.

Der enorme Flächenbedarf ergibt sich aus der dürftigen Effizienz des Prozesses. Man hoffe, in Zukunft einen Wirkungsgrad über alle Prozessschritte von 4 Prozent zu erreichen, sagt Christoph Falter, der beim Bauhaus Luftfahrt für Zukunftstechnologien und Ökologie der Luftfahrt verantwortlich ist.

Das heißt: Nur 4 Prozent der auf die Anlage eingestrahlten Sonnenenergie ist am Ende in Form von Kraftstoff verfügbar. Dieser künftige „Pfadwirkungsgrad“ ist sogar noch sehr optimistisch gerechnet: „Wir haben dabei für den thermo­chemischen Reaktor einen Wirkungsgrad von 20 Prozent angenommen – heute sind wir in der Praxis erst bei fünf Prozent“, sagt Falter.

Dass man bei so hohen Energieverlusten Probleme mit der Wirtschaftlichkeit hat, überrascht nicht. „Wir rechnen mit einem Preis von 2,30 bis 2,40 Euro pro Liter Kerosin“, sagt Falter. Das konventionelle Kerosin hingegen sei derzeit für 50 Cent zu haben. So ergibt sich beinahe ein Faktor 5 für den Ökosprit, und selbst dabei liegen reichlich optimistische Annahmen zugrunde: Für das benötigte CO2, das aus der Luft gewonnen werden soll, werden in der Kalkulation 100 Euro pro Tonne angesetzt. Die Schweizer Firma Clime­works, die genau ein solches Verfahren entwickelt, setzt derzeit allerdings noch ein Vielfaches dieses Preises an.

Somit liegen bei diesem Konzept noch Welten zwischen der technischen Machbarkeit einerseits und der wirtschaftlichen Sinnhaftigkeit andererseits. Jede Tonne CO2, die durch das Solarkerosin vermieden wird, würde nach heutigen Prognosen, so muss Wissenschaftler Falter einräumen, rund 700 Euro kosten.

Dass der CO2-Preis für die Nutzer des fossilen Kerosins auch nur annähernd auf ein solches Niveau steigen und die solare Technik damit wirtschaftlich werden könnte, ist indes nicht absehbar. Aktuell rentieren sich lediglich solche CO2-Einsparungen, die für etwa 28 Euro pro Tonne zu haben sind – denn das ist der gegenwärtige Preis des CO2 im europäischen Emissionshandel. Und der Luftverkehr genießt zudem sogar noch Sonderregeln.