piwik no script img

Ein Schiff wird wegbleiben

Eigentlich hätte er ein Special Guest der Schippertage Bremerhaven sein sollen. Jetzt bleibt der spanische Schoner „Atyla“ deutschen Häfen lieber fern, wo die Behörden drohen, ihn festzusetzen: Zwar hat es bislang nie Probleme mit dem historischen Segler gegeben, aber ihm fehlt die Zulassung als Fahrgastschiff

Gebaut, um im Kielwasser Juan Elcanos die Welt zu umsegeln, meidet „Atyla“ deutsche Häfen. Der Sicherheit halber Foto: Fundación Barco Escuela Atyla

Von Benno Schirrmeister

Wer gestern Nachmittag beim Einlaufen der Schiffe im Alten Hafen nach der wuchtigen „Atyla“ Ausschau hielt, wurde enttäuscht. Und nein, der spanische Gaffelschoner mit Heimathafen Bilbao wird auch nicht mehr kommen zu den diesjährigen Schippertagen Bremerhaven. Tickets für den dreistündigen Törn mit dem Traditionssegler, den man im Rahmen des Events hatte buchen können, „werden wieder zurückgenommen“, so heißt es von Bremerhaven Erlebnis GmbH.

Der große Saison-Abschluss-Trip, der am Montag zurück nach Lekeitio im Baskenland führen soll, findet aber statt, sagt Alfonso Garzón der taz auf Nachfrage: „¡Eso no es un problema!“, so der Geschäftsführer der Atyla-Foundation, „das ist kein Problem!“. Man weicht dafür halt ein paar Meilen nach Westen aus, in Delfzijl oder Eemshaven lässt sich ja auch gut anlegen. Und vor allem: Man kommt auch wieder weg.

Einlaufen hätte die „Atyla“ in Bremerhaven nämlich schon dürfen. „Wir haben der „Atyla“ nicht das Kreuzen in deutschen Gewässern untersagt“, stellt Christian Bubenzer von der zuständigen Berufsgenossenschaft Verkehr in Hamburg klar. Man habe aber „ein Auslaufverbot für den nächsten deutschen Hafen für den Fall angedroht, dass kein Zeugnis als Nachweis für das Einhalten der Sicherheitsvorschriften vorgelegt wird“.

Eine knappe Woche ist das her. Denn da war das Museumsschiff erstmals bei der Hansesail in Rostock zu Gast, hatte Samstag Tagestouren und Sonntag einen Kurztripp mit Brunch angeboten. In diesem Rahmen war sie dann kontrolliert worden – erstmals, obwohl das Schiff in der Vergangenheit schon häufiger in Deutschland gelegen hatte und es „bisher keine Anhaltspunkte für größere Sicherheitsmängel“ gab, wie Bubenzer einräumt.

Aber jetzt sei man verpflichtet gewesen, das Schiff zu überprüfen. Die Europäische Agentur für Meeressicherheit (Emsa) berechnet nämlich „für die Hafenstaatkontrolle im europäischen Bereich für jedes zu kontrollierende Schiff computerbasiert ein Risikoprofil“, so Bubenzer. Aus dem wiederum ergibt sich der Turnus der Sicherhheits-Checks. Und demnach sei der Gaffelschoner einfach „an der Reihe“ gewesen, was auch daran liegen kann, dass sie nicht mehr unter niederländischer Flagge fährt, sondern der von Vanuatu. Gleichviel: Beim Test sei die „Atyla“ eben durchgefallen. Hauptproblem: ein fehlendes Sicherheitszeugnis als Fahrgastschiff. Die sei erforderlich, sofern mehr als zwölf Passagiere mitfahren sollen.

Und: Der Kapitän hat kein Patent. Er verfügt nur über das „Yachtmaster“-Zertifikat der britischen Yachting Association (RYA), und das reiche nun mal nicht aus, „um ein Schiff mit Fahrgästen in internationaler Fahrt zu fahren“, erläutert Bubenzer. „Wir hätten die ‚Atyla‘ bereits zur Hansesail in Rostock festhalten können, haben aber erst einmal eine Warnung ausgesprochen, um dem Schiffseigner die Möglichkeit zu geben, die bestehenden Mängel abzustellen“.

„Wie soll ich in fünf Tagen einen neuen Kapitän auftreiben?“, fragt Garzón. Geschweige denn ein Personenschiff-Zertifikat: Denn auch, wenn Flaggenstaat Vanauatu eine schlanke Schifffahrtsverwaltung habe, einfach zum Downloaden gebe es die Zulassungen dort auch nicht. „Die Deutschen behandeln uns, als wären wir ein Kreuzfahrtschiff für 500 Passagiere“, sagt Garzón. „Das sind wir aber nicht.“

Schippertage, ahoi!

Die Schippertage begeht Bremerhaven seit 2016, um die Klasse der Plattbodenschiffe zu feiern, zu denen Aaken, Bojer, Ewer, Galioten, Kuffen und Tjalken gehören. Bis Anfang des 20. Jahrhunderts waren sie wichtige Verkehrs- und Transportmitteln an der Nordseeküste.

Angemeldet zu dem Ereignis haben sich die Lemsteraaks „Miss Polly“ und „Lille – Amma“, die Gaffelketch „Orion“, die Zeeschouwen „Feije“, „Vrouwe Antje“ und „Jonkvrouw“, der Rettungskutter „Meermaid“, der Schokker „It Izeren Wiif“ (ZW2) sowie die Grundel „Mien Wicht“. Es wird aber mit weiteren spontanen TeilnehmerInnen gerechnet.

Am Samstag, 16. 8., und Sonntag, 17. 8., wird von 12 Uhr bis abends im Alten Hafen altes, maritimes Handwerk vorgestellt, das nötig ist, um die Traditionssegler instand zu halten.

Nein, wirklich nicht: Das Schiff ist eine Schönheit, kein schwimmendes Hochhaus. Entworfen hat den Gaffelschoner der Sportlehrer und Profi-Kanute Esteban Vicente Jiménez Anfang der 1980er-Jahre nach Plänen aus dem frühen 19. Jahrhundert. Die befolgen nämlich noch Konstruktionsprinzipien, die in Nordspanien seit dem 16. Jahrhundert Anwendung gefunden hatten, und ursprünglich war die Idee gewesen, mit dem Schiff die große Fahrt des Juan Sebastián Elcano zu reenacten: Der hatte 1522 die von Ferdinand Magellan begonnene erste Weltumsegelung vollendet. In Vinuesa wurde die Holzkons­truktion in Handarbeit liebevoll geschnitzt, gezimmert und gedrechselt, bis sie ab 1982 in Werften von Lekeito und Erandio zusammengesetzt werden konnte. Jungfernfahrt war 1984.

Mit der Weltumsegelung ist es dann nie etwas geworden, aber seit 35 Jahren kreuzt das Schiff unter wechselnden Namen und Flaggen auf den Meeren, hat Europa umrundet und dient seit 2014 als internationales Schulschiff: „International, weil wir daran glauben, dass der effektivste Weg, eine respektvolle, aufgeschlossene Gesellschaft zu schaffen, das gemeinsame Handeln von Menschen unterschiedlicher Kulturen und sozialer Klassen ist“, wie die Träger-Stiftung informiert. Es geht um Teambuilding, gemeinsame Erfahrungen, das Lernen von Verantwortung, „Um Soft­skills halt“, wie Garzón sagt. Klar, solche Bootstrips sind nicht billig. Aber in 40 Prozent der Fälle wird die Teilnahme durch Stipendien ermöglicht. „Wir sind eine gemeinnützige Non-Profit-Organisation“, erinnert Garzón. Weder in Dänemark, wo man aktuell kreuzt, noch in den Niederlanden noch in Norwegen oder Schweden habe man solche Probleme wie in Deutschland.

In Bremerhaven bedauert man das. Zwar, die Schippertage sind eigentlich dazu da, die Plattbodenschiffe zu feiern, also Transportboote ohne Kiel und Tiefgang, die speziell im Wattenmeer günstig waren, heißt es seitens der Veranstalter. Da ist ein Gaffelschoner ein Fremdkörper. Aber aufs Plattbodenboot darf erst recht keiner rauf. Einen kurzen Törn mitmachen geht auch nicht. „Dafür wäre die ‚Atyla‘ da gewesen“, heißt es. Jetzt bleibt sie weg.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen