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SchulleiterIn 2.0: Mehr Rechte und mehr Verantwortung

Die Universität Kassel bietet einen berufsbegleitenden Masterstudiengang für PädagogInnen an, die eine Schule leiten wollen. Viele Lehrende fühlen sich nicht ausreichend qualifiziert für diese Aufgabe

Gemälde „Die Dorfschule“ von Albert Anker, 1896. Nicht nur die Lehrmethoden, sondern auch die Aufgaben außerhalb des Klassenzimmers sehen für LehrerInnen heutzutage etwas anders aus Foto: AKG

Aus Kassel Christoph Schmidt-Lunau

Auf dem Campus der Uni Kassel am Holländischen Platz laufen die Vorbereitungen für den „Hopla“-Rave der Studierenden. Im ersten Stock im Gebäude „Science Park“ der Management-Schule lassen sich ein halbes Dutzend InteressentInnen über den Aufbaustudiengang Bildungsmanagement informieren. Die Veranstaltung, die vom Soundcheck auf dem Campus begleitet wird, fühlt sich ein bisschen an wie Nachsitzen. Es ist schließlich Freitagabend. Andere feiern. Doch das wird die Kernarbeitszeit derjenigen sein, die sich den Masterstudiengang Bildungsmanagement einschreiben: abends und an Wochenenden.

In drei oder vier Semestern sollen die Studierenden für Aufgaben in der Leitung von Bildungsinstitutionen vorbereitet werden. Es ist ein berufsbegleitender Studiengang. Abends und an Wochenenden werden die Masterstudierenden Studienbriefe durcharbeiten, Hausarbeiten schreiben, sich auf Klausuren vorbereiten oder zu den Präsenzwochenenden nach Kassel fahren.

„Es ist hart,“ räumt der Wirtschaftspädagoge Christian Martin ein, der die Einrichtung und Weiterentwicklung des Studiengangs von Anfang maßgeblich geprägt hat. Doch er versichert: „Es ist zu schaffen und es bringt den TeilnehmerInnen viel. Das jedenfalls melden sie uns in ihren Feedbacks zurück.“ Am Ende winkt ein Master of Arts der Uni Kassel. Damit dürften in einem Bewerbungsverfahren die Chancen für eine leitende Stelle in einer Schule steigen. Genauso wichtig ist das Gefühl, für ein solches Amt gut vorbereitet zu sein.

Im Auftrag des Verbands Bildung und Erziehung hat das Forsa-Institut 2018 bei Schulleitungen nachgefragt. Danach fühlen sich 29 Prozent der Befragten in Leitungsfunktionen nicht ausreichend vorbereitet; bei den unter 40-Jährigen sind es sogar mehr als die Hälfte. Die stetig wachsenden Aufgaben nennen 89 Prozent der Befragten als Problem, den Mangel an ausgebildeten Lehrkräften an den Schulen 57 Prozent.

Die meisten der Befragten bezeichnen sich gleichwohl als motiviert und würden ihren Beruf anderen empfehlen. Die unter 40-Jährigen sehen ihre Situation dabei weniger rosig. Nur 7 Prozent würden ihren Job anderen „auf jeden Fall“ weiterempfehlen, 32 Prozent von ihnen würden sogar abraten. Den Ausbau der Fort- und Weiterbildung wünschen sich jedenfalls 37 Prozent aller Befragten. Die Studie legt nahe: Es gibt einen Zusammenhang zwischen Qualifikation und Berufszufriedenheit.

Der Studiengang

Inhalte Das Masterstudium Bildungsmanagement dauert vier Semester. Jedes der vier Module wird mit einer Klausur oder einer Hausarbeit abgeschlossen. Am Ende steht eine wissenschaftliche Masterarbeit. An einem Wochenende pro Semester gilt Präsenzpflicht. Voraussetzung ist ein Studienabschluss, der mindestens 240 Credit Points entspricht.

Bedingungen BewerberInnen müssen zuvor mindestens zwei Jahre in einer Bildungsinstitution in Vollzeit gearbeitet haben Das Studium kostet 3.900 Euro, außerdem sind pro Semester 140 Euro Gebühr fällig. Das Studium ist von der hessischen Lehrerakademie anerkannt. Anbieter ist das Institut Unikims, die Management-Schule der Universität Kassel. Der nächste Bewerbungsschluss ist der 31. 8. 2019.

Die Kultusministerien haben den Bedarf erkannt. Das hessische Kultusministerium spricht gar von einer „neuen Ära der Schulleiter-Qualifikation“, die vor zwei Jahren eingeleitet worden sei. Seitdem hätten 650 Lehrkräfte eine solche Qualifikation absolviert, jährlich starteten 250 PädagogInnen neu. Trotzdem begrüßt das Ministerium Angebote wie den Masterstudiengang Bildungsmanagement an der Uni Kassel als „sinnvolle Ergänzung“.

Standard in den Bundesländern sind bislang Fortbildungsangebote landeseigener Institute. In Berlin und Brandenburg sind dies Qualifizierungskurse der gemeinsamen Einrichtung Lisum. Akademische Abschlüsse können bei ihnen aber nicht erlangt werden. Von vielen PraktikerInnen werden sie als nicht mehr ausreichend angesehen.

Im ersten Modul des Kasseler Studiengangs geht es zunächst um die neue Rolle der Führungspersonen in den Schulen, in denen sie zuvor Gleiche unter Gleichen waren. Christian Martin hat viel Erfahrung im Coachen von Schulleitungen. Im Auftrag des hessischen Kultusministeriums hat er das Projekt „Autonomes Schule plus“ geleitet. In diesem Rahmen wurden 17 Berufsschulen auf die volle Autonomie vorbereitet, mit eigenem Budget und Personalverantwortung. „Damit treten diese Schulen in direkten Wettbewerb zu anderen Bildungsträgern der beruflichen Bildung in der beruflichen Weiterbildung. Profilierung und Qualitätsmanagement (QM) sind der Preis der neuen Freiheit“, sagt er. Martin ist als QM-Experte für das zweite Modul des Studiengangs verantwortlich: „Qualität von Schule sichern“. Autonome Schulen müssen Lernziele formulieren, mit der Kultusbürokratie und den Eltern verhandeln und den Erfolg überprüfen, validieren. Das sind Anforderungen, auf die ein Lehrerstudium nicht vorbereitet.

Ein weiteres Modul widmet sich dem Thema Bildungsberatung. „Es geht dabei um das Training der Fähigkeiten, wie Bildung am besten zu vermitteln ist,“ sagt Martin; am Ende des Studiums steht schließlich eine wissenschaftlich fundierte Masterarbeit, „gerne auch, aber nicht zwingend eine empirische, mit der die Wirkung pädagogischer Prozesse validiert werden kann“, sagt der Wirtschaftspädagoge.

Im Herbst startet der fünfte Jahrgang dieses Masterstudiengangs. Zur Informationsveranstaltung sind ein erfahrener Förderschulpädagoge, die stellvertretende Leiterin einer privatwirtschaftlichen Bildungseinrichtung und eine junge Gymnasiallehrerin gekommen. Auch eine Sozialpädagogin ist angereist, die in Schulklassen im Rahmen der Inklusion zusammen mit den LehrerInnen den Unterricht in einer Schule gestaltet. Sie persönlich kann sich vorstellen, Verantwortung in der Schulleitung zu übernehmen. „Das ist allerdings Zukunftsmusik, denn noch ist dafür die Lehrberechtigung Voraussetzung“, über die sie als Sozialpädagogin nicht verfügt; „aber auch das kann sich ändern, da ist ja viel im Fluss“, macht sie sich Mut.

„Lehrer sind keine Manager, da gibt es Defizite“

Sonderschullehrer, 47 Jahre

Tatsächlich haben die Schulämter immer wieder Probleme, Leitungsfunktionen in Schulen qualifiziert zu besetzen. Viele anfänglich Interessierte winken ab, weil sie viele neue Aufgaben und Stress erwarten, bei nur wenig mehr Geld.

Auch der 47-jährige Sonderschullehrer, der seit Jahren Leitungsfunktionen übernommen hat, interessiert sich. „Lehrer sind keine Manager, da gibt es Defizite. Vielleicht ist dieser Studiengang eine Chance. Es geht darum, den Ort Schule mit den vielen Anforderungen vernünftig zu organisieren, dabei den Kindern gerecht werden und selbst nicht auf der Strecke zu bleiben“, sagt er der taz.

Und die Gymnasiallehrerin, die seit fünf Jahren „sehr gerne“ in einem Gymnasium in Nordhessen unterrichtet, informiert sich „ergebnisoffen“. Schulleitung sei nach ihrem Eindruck „ein sehr undankbarer Job – Stand jetzt“, sagt sie. Warum sie sich dennoch für diesen Studiengang interessiert? „Ich habe Angst, in das Hamsterrad sich ständig wiederholender Tätigkeiten zu geraten, und meine Erfahrungen mit den Fortbildungsangeboten der Schulämter sind schlecht“, sagt die Lehrerin.

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