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Eine glamouröse Erfinderin

„Fremder Star“, eine Retrospektive mit Filmen, in denen die österreichische Hollywood-Ikone und Erfinderin Hedy Lamarr geglänzt hat, und Dokumentationen über ihr bewegtes Leben laufen momentan im Zeughauskino

Von Jenni Zylka

„Watch out, Pépé“, sagt einer, der es gut meint, zum Juwelendieb Pépé le Moko (Charles ­Boyer), „women will be the death of you!“ Der Angesprochene lächelt nur. „It’s a happy death!“Genauso kommt es am Ende von John Cromwells „Algiers“. Frauenschwarm Pépé, der sich lange in der Casbah vor der Polizei verstecken konnte, geht einem Frauenzimmer auf den Leim. Er hat sich in Gaby verliebt und riskiert sein Leben – weil er sie nochmals treffen will, bevor sie per Schiff das Land verlässt. Als Pépe die schöne Französin an Deck sieht, läuft er los. Die Polizei schießt ihn nieder. Pépé lächelt: Für Gaby tut er alles.

Sie hat eben Wirkung. Dargestellt wird sie in dem 1938 entstandenen Drama von Hedy Lamarr, die 1914 als Hedwig Kiesler in Wien geboren wurde. Und die ihren Namen 1937, nach dem Neustart in Hollywood, auf Geheiß von Louis B. Mayer in Lamarr geändert hatte: weil er nach dem 1927 verstorbenen Stummfilmstar „Barbara La Marr“, Spitzname „Das Mädchen, das einfach zu hübsch war“, klang. Filmfans liebten ihr perfektes herzförmiges Gesicht, den dunkel glänzenden Middy Cut samt schnurgeradem Mittelscheitel und Wasserwellen, den nach „Algiers“Abertausende Frauen kopierten, sollten ihr als „der schönsten Frau der Welt“ folgen.

Dass das Zeughauskino Lamarr eine Retrospektive mit über 30 Spiel- und Dokumentarfilmen widmet, passt zur Neuentdeckung einer ungewöhnlichen Hollywood-Pflanze: Der US-Sender Showtime hat kürzlich eine Miniserie über sie in Auftrag gegeben. Dargestellt wird Lamarr darin von der israelischen Schauspielerin Gal Gadot, die durch die konsequent-feministische DC-Verfilmung „Wonder Woman“ bekannt wurde. Auch das passt – genau wie Hedys melancholisch-abweisende Schönheit, ihr skandalöser Nacktauftritt und noch skandalösere, mimisch dargestellte Orgasmusszenen im Film „Ecstasy“ (1933). Neben den üblichen wahren und nachgesagten Liebeleien war es vor allem ihre Tätigkeit als Erfinderin, die sowohl die Fans der Zeit als auch spätere Rezipient*innen nicht mit der klassischen Diva-Rolle unter einen Hut bekamen. Lamarrs gemeinsam mit Georges Antheil durchgeführte Experimente zur Technik des „Frequency Hopping“, deren Idee sie als überzeugte Antifaschistin 1942 für die Funksteuerung von Torpedos für die U.S. Navy patentieren ließ, werden noch heute unter anderem bei Bluetooth-Verbindungen eingesetzt. Doch in den Vierzigern sah man es als Wunder an: eine schöne Frau, die auch noch denken kann – gibt’s doch gar nicht.

An dieser Haltung – das zeigt der 2017 von Alexandra Dean collagierte Dokumentarfilm „Geniale Göttin“, den es ebenfalls zu sehen gibt – verzweifelte Lamarr. Und konnte sich davon nicht befreien: Alle würden nur auf ihre Schönheit schauen, beschwert sie sich in einem Interview. Dennoch setzte auch sie selbst ausschließlich darauf, operierte und quälte sich, nahm bevorzugt vorhersehbare Rollen erotisch-somnambuler „Love Interests“ an und entwickelte zu wenig Ehrgeiz dafür, in Charakterrollen zu überzeugen.

Dabei zeigt sie in ihrem zweiten Film,in Alexei Granowskis 1931 entstandener Satire „Die Koffer des Herrn O. F.“, durchaus schauspielerisches Feuer, zumindest amtliches Schwelen: In der absurden Kleinstadtposse und Mediensatire werden 13 Koffer in das einzige Hotel eines verschlafenen Nests namens „Ostend“ geliefert und sorgen erst für Aufruhr, dann für Aufschwung. Weil ein Lokalreporter (Peter Lorre in einer frühen Rolle, der Film kam erst nach „M“ in die Kinos) das Gerücht streut, O. F. sei ein Millionär, der in Ostend investieren wolle, mutiert das Kaff in kürzester Zeit zum Unterhaltungsmekka mit Bar, Kasino und Neubauten. Lamarr hat nur wenige Szenen, doch ihre Interpretation der Verlobten des ortsansässigen Baulöwen ist juvenil aufgeweckt.

Sowjetische Schaffnerin

Auch King Vidors „Comrade X“ hielt eine furiose Figur für Lamarr bereit – neben Clark Gable spielt sie in dieser Russland unterhaltsam diffamierenden Prä-Kalter-Krieg-Komödie eine kommunistische sowjetische Straßenbahnschaffnerin, die von Gable zur Heirat überredet werden muss, weil er von ihrem Vater erpresst wird. Sie ist es, die den coolen Ami zuerst küsst – gleich darauf hält sie ihm allerdings einen ewigen Vortrag über Überproduktion und Sozialismus.

Es scheint eben, so zeigt es die Retrospektive, dass Lamarr besser spielte, wenn sie Tiefe und Ambivalenz in der Rolle fühlte – in den als reine Augenweiden angelegten Charakteren wirkte sie wie ein schöner Kleiderständer. „Jedes Mädchen kann glamourös sein“, sagte Lamarr einst, „man muss nur still stehen und dumm gucken.“ – „Sie hat keine Persönlichkeit, sie kann nicht spielen“, so lästerte dagegen der „Algiers“-Regisseur Cromwell hinter ihrem Rücken. Dennoch besetzte er sie – angeblich wurde aufgrund des Films die Rolle der Ilsa Lund in „Casa­blanca“ nach Lamarr gestaltet. Bekanntlich sagte Lamarr ab und Ingrid Bergmann zu. Die Hollywood-Würfel wären ansonsten anders gefallen.

Bis 25. September. Programm www.dhm.de/zeughauskino/

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