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„Faule Äpfel“ beim „Spiegel“ in der Kritik

Einen möglichen Skandal deckte der Spiegel während der Fußball-WM in Brasilien auf – oder auch nicht, wie mehrere Medienberichte insinuieren. Der Redakteur Rafael Buschmann schrieb unter dem Titel „Faule Äpfel“ 2014 noch während des Turniers, dass ein „notorischer Wettbetrüger“, Wilson Raj Perumal, mit dem er in Kontakt stand, Spielergebnisse korrekt vorhersagen konnte. Matchfixing, also für Wettbetrüger vorab festgelegte Spielverläufe, in großem Stil in einem internationalen Turnier? Hundertprozentig festlegen wollte sich Buschmann in seinem Text nicht darauf. Er konzentrierte sich stattdessen in dem Bericht auf die Charakterisierung des zwielichtigen Gesprächspartners. Beweise für kriminelle Einflussnahme auf Spielergebnisse wurden nicht vorgelegt, auch gab es keine Nachberichterstattung in dem Fall.

Zweifel an der Korrektheit der ­Geschichte gab es früh. Der zitierte Perumal erklärte, dass er falsch wiedergegeben worden sei, eine britische Zeitung veröffentlichte Screenshots von Chats zwischen ihm und Buschmann, die Perumals Version der Geschichte stützten. Der Spiegel aber stellte sich unverrückbar hinter Buschmann und den Text. Selbst die Relotius-Kommission warf einen Blick auf den Vorgang, konnte aber keine Unregelmäßigkeiten erkennen.

Neue Berichte in der Sache, von Stefan Niggemeier beim Medienblog Übermedien und zuletzt in der Welt, wiederholen nun die Kritik an der ursprünglichen Geschichte und am Umgang des Spiegels mit Hinweisen auf Leerstellen und andere Merkwürdigkeiten. So will die Welt inzwischen herausgefunden haben, dass selbst die hauseigene Dokumentation des Spiegels schon vor Veröffentlichung der „Faulen Äpfel“ das Fehlen substanzieller Belege monierte.

Letztlich dreht sich die Diskussion über die Frage, ob Wilson Raj Perumal in Chats mit Rafael Buschmann, wie vom Spiegel-Autor behauptet, Spielergebnisse der WM vorab oder nicht doch erst nachträglich benannte und kommentierte, wie der Matchfixer bereits unmittelbar nach Veröffentlichung des Artikels erklärte. Nach der wieder aufflammenden Kritik scheint der Spiegel nun zumindest eine erneute Prüfung des Falls in Betracht zu ziehen. Ubermedien ordnet die Aussetzung der geplanten Beförderung Buschmanns zum Leiter des Investigativ­ressorts als Indiz dafür ein. Ursprünglich sollte Buschmann die herausragende Stelle Anfang August antreten. Doch schon nach Ankündigung der geplanten Personalie hatten mehrere namhafte Investigativreporter das Ressort verlassen. (taz)