Urteil bestätigt: 6 Jahre Haft für jungen Ukrainer

Das Oberste Gericht Russlands sieht die Terrorvorwürfe gegen den 21-Jährigen als erwiesen an. Seine Familie ist in Sorge: Grib sei krank, brauche medizinische Versorgung

Pawel Grib im März. Damals verurteilte ihn ein Gericht in Rostow-am-Don wegen „Begünstigung von Terrorismus“ Foto: imago

Aus Kiew Bernhard Clasen

Die Militärkammer des Obersten Gerichts der Russischen Föderation hat am Dienstag das Urteil gegen den 21-jährigen Ukrainer Pawel Grib bestätigt. Damit ist die am 22. März von einem Gericht im russischen Rostow-am-Don verkündete Haftstrafe von sechs Jahren für den am 24. August 2017 in Belarus vom russischen Geheimdienst FSB entführten Grib rechtskräftig.

Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der damals 19-jährige Grib 2017 seine russische Freundin Tatjana angestachelt haben solle, in einer verhassten Schule im russischen Sotschi eine Bombe zu legen. Grib indes widerrief ein früher abgegebenes Geständnis. Dies habe er unter Folter gemacht.

2017 hatte sich Pawlo Grib über das soziale Netzwerk VKontakte in eine Russin verliebt. Die beiden hatten sich zu einem Treffen im weißrussischen Gomel verabredet. Doch nachdem sich Grib am 24. August 2017 auf den Weg nach Weißrussland gemacht hatte, verschwand er spurlos. Beamte des russischen Geheimdienstes FSB hatten dort bereits auf den jungen Ukrainer gewartet und ihn nach Russland verschleppt. Vier Tage lang hörten Pawels Eltern nichts von ihm.

Sofort nach der Überschreitung der weißrussisch-russischen Grenze sei Grib von den FSB-Leuten misshandelt worden, zitiert die ukrainische Nachrichtenagentur Unian die Anwältin von Pawlo Grib, Marina Dubrowina. Am 22. März 2019 verurteilte ihn ein Gericht in Rostow-am-Don wegen „Begünstigung von Terrorismus“ zu einer sechsjährigen Haftstrafe.

Für Gribs Anwältin Marina Dubrowina ist die Verurteilung rechtswidrig – fuße sie doch auf einem unter Folter zustande gekommenen und später widerrufenen Geständnis. Einen Tag sei Grib in einer Turnhalle angekettet gewesen, habe weder Essen noch Wasser erhalten. Und der Entzug von Essen und Trinken sei für Grib lebensgefährlich, so die Anwältin.

Seit seiner Kindheit ist Pawel Grib Invalide, berichtet sein Vater Igor Grib der taz. Sein Sohn, so Grib, leide unter einer besonderen, krankhaften Form des Bluthochdrucks, dem sogenannten Pfortaderhochdruck. Außerdem habe er seit der Kindheit eine vergrößerte Milz. „Mein Sohn muss eine strenge Diät einhalten. Sollte es zu inneren Blutungen kommen, könnten diese für ihn tödlich sein“, so Igor Grib zur taz. Derzeit leide sein Sohn auch an einem Zwölffingerdarmgeschwür. Pawel Grib brauche eine gute medizinische Behandlung.

Der damals 19-jährige soll seine russische Freundin angestachelt haben, eine Bombe zu legen

Kurz vor seiner Entführung sei eine Operation in Kiew geplant gewesen. Zwar könne man seinen Sohn mit einer Operation nicht heilen, doch zumindest könne man damit das Risiko innerer Blutungen verringern, so der Vater zur taz. Sobald das Urteil rechtskräftig ist, werde sein Sohn irgendwohin verlegt, und in einer Strafkolonie könne er nicht auf eine kompetente medizinische Hilfe hoffen. „Dieses Urteil ist faktisch ein Todesurteil für den jüngsten ukrainischen Häftling in Russland“, resümiert Halya Coynash von der Menschenrechtsgruppe Charkiw.

Sofort nach Bekanntwerden des Urteils protestierte das ukrainische Außenministerium. Das Außenministerium rief die Weltgemeinschaft auf, die Entscheidung des russischen Gerichts zu verurteilen. Gleichzeitig forderte das Ministerium die Freilassung aller in Russland inhaftierten ukrainischen Gefangenen. Das Oberste Gericht Russlands, so das ukrainische Außenministerium, habe alle Argumente der Verteidigung zynisch zurückgewiesen und einen jungen Mann „schamlos“ in eine Strafkolonie geschickt aufgrund von erfundenen Verbrechen.

Bereits im März hatte der britische Außenminister Jeremy Hunt gegen das Urteil von Rostow-am-Don protestiert. Derzeit befänden sich 123 Ukrainer aus politischen Gründen auf der Krim oder in Russland in Haft, sagte Maria Tomak von der Medieninitiative für Menschenrechte der taz.