In der Sache Oppenheimer

Freispruch für Atomkraftgegner. Sie sollen eine Gedenktafel mit einer Zusatzwidmung versehen haben

„So einer Person eine Ehrentafel zu widmen, ist mehr als fragwürdig“

Mohan R., Piraten-Abgeordneter

Von Reimar Paul

Weil sie eine Gedenktafel am früheren Göttinger Wohnhaus des Atomwissenschaftlers Robert Oppenheimer mit einem Zusatzplakat versehen haben sollen, mussten sich zwei Atomkraftgegner aus der Universitätsstadt vor dem Amtsgericht verantworten. Das Verfahren gegen Annette und Mohan R. endete gestern mit Freisprüchen.

Dem Ehepaar – die 62-Jährige ist in der Göttinger Anti-Atom-Initiative aktiv, ihr 65 Jahre alter Mann sitzt für die Piraten im Göttinger Kreistag – war eine Aktion vom vergangenen Jahr zur Last gelegt worden. Am 6. August, dem Jahrestag des Atombombenabwurfs auf Hiroshima, sollen sie ein Plakat mit dem Spruch „Hunderttausend Tote bedanken sich für ihre Forschung“ neben der Gedenktafel angebracht haben. Das Gebäude, in dem Oppenheimer während seines Studiums 1925 und 1926 lebte, beherbergt heute eine katholische Schule.

Der Hausmeister, der die beiden Atomgegner nach der Tat mit einer Leiter in der Hand beobachtet haben will, zeigte das Paar wegen Hausfriedensbruchs an. Die Staatsanwaltschaft sah den Tatbestand aber nicht als gegeben an, weil das Schulgebäude nicht umzäunt sei.

Stattdessen nahm sich die Stadt der Sache an und verschickte Bußgeldbescheide wegen unerlaubten Plakatierens in Höhe von jeweils 75 Euro – eine Ordnungswidrigkeit. Da die Beschuldigten dagegen Widerspruch einlegten, musste das Gericht entscheiden.

Die Verteidiger hatten zuvor die Satzung der Stadt Göttingen studiert, auf die sich die Verwaltung bei ihrem Vorwurf bezog. Diese bestimme nicht ausreichend ihren eigenen Geltungsbereich. So bleibe unklar, ob das Verbot „wilden“ Plakatierens auch private Gebäude betreffe – und damit auch die katholische Schule.

Richter Julian Oelschlägel zog sich zum Studium der Satzung zurück, um nach der Pause die Freisprüche zu verkünden. In der Tat sei der Geltungsbereich der Satzung nicht ausreichend bestimmt, sie gelte wohl „eher für öffentliche Gebäude“.

Die beschuldigten Atomkraftgegner äußerten sich in der Verhandlung nicht zum Tatvorwurf. Sie verlasen aber Erklärungen, die sich mit Oppenheimer kritisch auseinandersetzten. Der Wissenschaftler war ab 1942 Leiter des „Manhattan-Projekts“ zur Entwicklung der US-Atombombe. In den offiziellen Biografien mutierte er später zum erklärten Gegner von Nuklearwaffen. Von dem Bau einer Wasserstoffbombe riet er demnach ab. In der McCarthy-Ära wurde ihm Sympathie für den Kommunismus vorgeworfen. Er blieb von geheimen Regierungsprojekten ausgeschlossen.

Annette und Mohan R. wiesen darauf hin, dass Oppenheimer die Entscheidung mitgetragen habe, die Bombe ohne Vorwarnung auf Japan abzuwerfen. Er habe für das Militär auch die Höhe für die Zündung berechnet, damit sie eine maximale Zerstörung verursache. Statt der Entwicklung der H-Bombe habe er später die Stationierung kleiner taktischer Atomwaffen in Europa verlangt. „So einer Person eine Ehrentafel an einer Schule zu widmen, ist mehr als fragwürdig“, sagte Mohan R.