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Nicht Anfang und nicht Ende

Die Ausstellung „Zwischen Ausgängen“ in der Galerie Weisser Elefant beschäftigt sich mit dem „Dazwischen“, also den ganz unterschiedlich erfahrenen Situationen in noch nicht abgeschlossenen Prozessen

Von Lorina Speder

„Zwischen Ausgängen“ nennt Kuratorin Julia Heunemann ihre Ausstellung in der Galerie Weisser Elefant in Berlin-Mitte. Die ausgestellten Arbeiten beschäftigen sich auf unterschiedlicher Art und Weise mit dem „Dazwischen“ – also der Situation, wenn ein Geschehen noch nicht an sein Ende gekommen ist. In diesem Zustand werden Erwartungen gebildet oder Spekulationen angestellt. Gerade so als könnte man damit die eigene Unsicherheit auflösen. Die schlimmste Befürchtung in einem Bewerbungsprozess ist zum Beispiel eine Absage. Dass sie in vielen Formen kommen kann, zeigt in der Ausstellung das Archiv der Enttäuschten Erwartung. Hier kann man sich eine der vielen Absagen aus dem echten Leben, die auf Karteikarten gedruckt sind, mitnehmen. Andere Werke in der Gruppenausstellung zeichnen sich durch ihre Prozesshaftigkeit aus. Sie werden wohl immer zwischen den Ausgängen stehen.

Wie Daniele Sigalots totem-artige Skulpturen, die noch final bewertet werden müssen. Indem er sie „Attempts At Greatness“ nennt, karikiert er damit einerseits das Bild des genialen Künstlers, der fortlaufend Meisterwerke kreiert und auf der anderen Seite lässt er es aber unbeantwortet, ob sein Versuch gelungen ist. Im selben Raum verbildlicht Ruth Wolf-Rehfeldt diese Art des ungewissen Ausgangs in konkreter Poesie: In der Zinkografie „Wait“ reihen sich die Buchstaben ebendieses Wortes so spielerisch auf dem Papier, dass die 1932 geborene Künstlerin damit abseits des Papiers eine bildnerische Tiefe erzeugt. Der Prozess des Wartens ist nie gradlinig.

Das Warten und Erwarten spielt auch in der Mail-Art von Wolf-Rehfeldt und ihrem Ehemann Robert Rehfeldt eine entscheidende Rolle. Ein Brief ist so lange „dazwischen“, bis er beim Empfänger ankommt und geöffnet wird. Dass das in der DDR nicht immer selbstverständlich war, zeigt ihr Mail-Art-Archiv. In vielen Briefen, die an das Künstlerpaar adressiert waren, las Kuratorin Heunemann immer wieder die Frage, ob die letzte Nachricht denn angekommen sei. So werden die gezeigten Briefe zum Abbild einer unberechenbaren Grenzkontrolle, die ein Unsicherheitsfaktor für die Kommunikation gewesen ist.

Ein anderes Spiel mit der Erwartung sieht man bei Moritz Frei. Frei gehörte 2017 zu den wenigen erwachsenen Deutschen, die Kaffee, also das beliebteste Getränk der Nation, noch nicht probiert hatten. Deshalb beschloss er, seinen ersten Schluck Kaffee zusammen mit dem Schauspieler Bruno Ganz zu trinken und das Erlebnis in einer künstlerischen Videoarbeit zu dokumentieren. Der Künstler verzögert darin den erwarteten Moment, baut eine Parallele zu Ganz’ Protagonisten im Wim Wenders Film „Der Himmel über Berlin“ auf, der als Engel mit neuen Sinnen zuerst eine Tasse Kaffee trinkt und schweift weit aus, bis er den Bogen zur eigenen Erfahrung am Ende schließt.

Was passiert mit Objekten, deren Zweck uns nicht (mehr) bekannt ist?

In einem anderen Video thematisiert Lilian Robl die Abschweifung in ironisch-wissenschaftlicher Manier. Die frische Studienabgängerin der Münchener Akademie konterkariert so die Irrwege eines Prozesses mit einem Augenzwinkern. Auch Technologien spielen in modernen Prozessen des Alltags eine immer größere Rolle. Diesen Aspekt machte sich Vanessa Farfán zu Eigen und baute mit Google und dem Zufall als Entscheidungshilfe eine Maschine, die sich in einer begehbaren Black Box befindet. Diese wirft in mehreren Schritten eine Schablone mit Punkten aus, welche die Künstlerin zeichnerisch verbindet und als Vorlage für 3D-Objekte benutzt. So sieht man als BesucherIn den aufgefächerten Prozess, der das künstlerische Schaffen von Farfán bestimmt.

In einem anderen Raum der Ausstellung ging Kuratorin Heunemann ganz anders an die Dinge heran. Getrieben von der philosophischen Richtung des Spekulativen Realismus wollte sie Objekte von einer anderen Seite betrachten. Was passiert nämlich mit Objekten, deren Zweck uns nicht (mehr) bekannt ist? Was wollen diese Objekte von uns? Das Museum der Dinge stellte der Kuratorin Objekte zur Verfügung, die im Archiv mehrfach oder gar nicht in ihrem Zweck gedeutet wurden. Die Konfrontation mit hakenbesetzten Verbindungen oder rätselhaften, stachelbesetzten Gummiobjekten gehört deswegen zu einem Höhepunkt der Ausstellung. Umringt von Zeichnungen aus dem Archiv der Anonymen Zeichner wird der ganze Raum zu einer mystischen Überraschungskiste. Besser könnte das nicht in die aktuelle Ausstellungsreihe „Ausstellungen für ein spekulatives Publikum“ passen.

Bis 15. September, Galerie Weisser Elefant, Auguststr. 21, Di.–Fr. 11–19 Uhr, Sa. 13–19 Uhr

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