die woche in berlin
: die woche in berlin

Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen AntifaschistInnen wegen Rangeleien nach einem Naziaufmarsch. Die Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentum kündigt sich als neue wohnungspolitische Herausforderung an. Und am Montag geht die Schule wieder los – mit berechtigter und reflexhafter Kritik im Vorfeld

Alles andere als Antifa

Unter R2G wird Protest gegen Nazis immer schwieriger

Unter Rot-Rot-Grün sind die Bedingungen für antifaschistischen Protest nicht besser geworden, sondern schlechter: An dieser Zwischenbilanz nach der Hälfte der Regierungszeit ist nicht zu rütteln, auch wenn die Selbstwahrnehmung und -darstellung der Koalition da anders ausfallen mag.

Das fängt bei praktischen Fragen rund um die Organisation von Gegenprotesten an: Das explizit im Koalitionsvertrag festgehaltene Versprechen, die Routen rechtsextremer Demonstrationen zu veröffentlichen und Gegenprotest in Hör- und Sichtweite zu ermöglichen, ist alles andere als erfüllt. Nach wie vor werden Informationen zu rechten Aufmärschen meist erst kurzfristig öffentlich bekannt gegeben, was die Mobilisierung für Gegenproteste erheblich erschwert. Bei Demonstrationen in Mitte, wo das aufgrund der Straßenführung technisch gut möglich ist, ist zum Standard geworden, dass die Routen rechter Demonstrationen so massiv und weiträumig mit Gittern und Polizeifahrzeugen abgeriegelt werden, dass Protest an der Strecke kaum möglich ist.

Dazu kommen eine ganze Reihe absonderlicher Vorfälle, die ebenfalls in die Regierungszeit von Rot-Rot-Grün fallen. Etwa als beim letzten NS-verherrlichenden Rudolf-Heß-Gedenkmarsch Tausende GegendemonstrantInnen in Spandau festgesetzt wurden, während die Neonazis von der Polizei mit der Bahn nach Friedrichshain eskortiert wurden, um dort aufmarschieren zu können. Oder als die Polizei kurz vor dem diesjährigen 1. Mai auf einmal verkündete, überhaupt keine Informationen zu angemeldeten Demonstrationen mehr herauszugeben.

In diese Reihe passt auch die Meldung aus dieser Woche, wonach die Polizei gegen die Teilnehmer einer antifaschistischen Fahrradtour, ebenfalls zum letztjährigen Heß-Marsch, zunächst wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung ermittelt hatte – und dieser Anfangsverdacht, obwohl längst nicht mehr in diese Richtung ermittelt wird, offenbar weiterhin in Datenbankeinträgen der Betroffenen gespeichert ist.

Gegenprotest wird grundsätzlich erschwert, DemonstrantInnen werden immer wieder schikaniert und im Nachhinein kriminalisiert: Das gilt mittlerweile nicht mehr nur in Bayern oder Sachsen, sondern auch in Berlin, ausgerechnet unter Rot-Rot-Grün. Die Polizei mag Triebfeder dieser Entwicklung sein. Doch dann muss sich die Koalition den Vorwurf gefallen lassen, sich gegenüber der Behörde nicht durchsetzen zu können. Und: Der versprochene unabhängige Polizeibeauftragte oder die Lockerung des Vermummungsverbots lassen weiterhin auf sich warten. Malene Gürgen

Die Polizei mag Triebfeder dieser Entwicklung sein. Doch dann muss sich die Koalition den Vorwurf gefallen lassen, sich gegenüber der Behörde nicht durchsetzen zu können

Malene Gürgenüber erschwerte antifaschistische Proteste unter R2G

Bitte nicht aus Gewohnheit meckern

Kritik an den Schulen wegen Lehrermangel und Schulessen

Wenn es um das Thema Schule geht, wird ja traditionell viel gemeckert. Ist irgendwie verständlich, schließlich ist Schule ein Ort, an dem unsere Kinder viele Tage und Jahre verbringen müssen, der sie „auf das Leben“ vorbereiten und für selbiges mit dem nötigen Wissen rüsten soll. Gleichzeitig weiß fast jeder, dass an Schulen heutzutage vieles schiefläuft: es gibt zu wenig ausgebildete Lehrer, zu viel Aggression und Mobbing – und am Ende bleiben zu viele SchülerInnen ungebildet.

Auch jetzt, kurz vor Schulbeginn, gibt es wieder gute Gründe, die politisch Verantwortlichen zu kritisieren. Etwa als Schulsenatorin Sandra Scheeres (SPD) am Donnerstag verkündete, dass nur vier von zehn neu eingestellten LehrerInnen den Beruf gelernt haben. Das ist zwar nicht der Untergang des Abendlandes: Auch QuereinsteigerInnen, die ja eines der Fächer, die sie unterrichten sollen, studiert haben, bringen wertvolle Qualifikationen mit, ebenso die Seiteneinsteiger, die einen Abschluss in anderen Studienfächern haben.

Dennoch bleibt die Kritik berechtigt, dass die Politik seit Jahren nicht in der Lage ist, den LehrerInnen-Beruf so attraktiv zu machen, dass sich bundesweit genug junge Leute dafür finden. Und dass man gleichzeitig jene, die gerne in dem Beruf arbeiten, ihn aber nicht studiert haben, also die sogenannten Seiteneinsteiger, Jahr für Jahr mit befristeten und schlechter bezahlten Verträgen abspeist und ihnen, anders als den Quereinsteigern, keine Möglichkeit zur Qualifizierung gibt.

Es gibt aber auch Punkte, bei denen die Meckerei offenbar schon reflexhaft erfolgt. Stichwort: kostenloses Schulessen. Seit Jahren wurde es von vielen Seiten gefordert, auch von den Gewerkschaften. Schließlich gibt es wohl tatsächlich Eltern, die sich diese Ausgabe sparen, auch wenn ihr Kind in der Schule hungert. Nun hat der Senat reagiert – und macht es auch nicht recht. Als überstürzt kritisierte die Bildungsgewerkschaft GEW etwa die Neuerung, weil an Halbtagsschulen teilweise Räumlichkeiten fehlen und die Betreuung beim Essen nicht immer geklärt ist.

Zugegeben, das kann etwas chaotisch werden in nächster Zeit, vielleicht müssen manche Schulen zunächst improvisieren. Andererseits: Ist es nicht schön, wenn auch mal einfach was gemacht wird? Ein bisschen mehr Zuversicht kann bei dem Thema doch wirklich nicht schaden. Susanne Memarnia

Neue Gefahr: Umwandlung in Eigentum

Zwar kommt der Mietendeckel, aber er löst nicht alle Probleme

Der Mietendeckel ist beschlossene Sache, auch wenn erst ein Eckpunktepapier verabschiedet wurde und ein Gesetzesentwurf durch Rot-Rot-Grün noch aussteht. Aber auch dann werden die Berlinerinnen und Berliner nicht sofort wissen, ob das Mietpreismoratorium wirkt oder nicht. Auf eine mögliche Folge hat nun der grüne Baustadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg, Florian Schmidt, hingewiesen. Er befürchtet, dass mit dem Mietendeckel die Zahl der Umwandlungen von Miet- in Eigentumswohnungen noch stärker steigen könnte als bisher.

Weil Schmidt aber nicht nur Stadtrat ist, sondern sich selbst auch als „Aktivist im Amt“ bezeichnet, hat er passend zum Problem gleich auch die entsprechende Initiative mitgegründet. „#200Häuser“ heißt sie, und soll die Betroffenen vernetzen. Zwar haben sich bislang erst die Bewohnerinnen und Bewohner von zwanzig Häusern zusammengeschlossen. Insgesamt aber seien in seinem Bezirk bereits 258 Häuser betroffen, so Schmidt.

Offenbar soll das Netzwerk durch eine Vielzahl von Aktionsformen auf die Thematik aufmerksam machen – bis hin zum Sprengen eventueller Wohnungsbesichtigungen durch potenzielle Käufer. Denn in den Milieuschutzgebieten Berlins – alleine in Friedrichshain-Kreuzberg gibt es zehn davon – ist die Umwandlung zwar genehmigungspflichtig. Bietet der Verkäufer die Wohnung aber zunächst den Mietern an, kann ihm die Erlaubnis nicht verweigert werden. Ein Schlupfloch im Bundesrecht, das manche auch ein offenes Scheunentor nennen. Denn meistens können sich die Mieter die eigene Wohnung gar nicht leisten.

Gut möglich, dass mit den Aktivitäten von „#200 Häuser“ das Thema auch im Bundestag erneut auf die Tagesordnung kommt. Gerade erst hat der neue CDU-Landeschef Kai Wegner seiner Partei im Bund vorgeworfen, nicht sensibel genug für Mietthemen zu sein. Gut möglich aber auch, dass Schmidts Initiative einem ganz anderem Ziel dient: einer Ausweitung des Vorkaufsrechts auch auf die von Umwandlung betroffenen Häuser.

Zwar kann der Bezirk in diesem Fall selbst keine Vorkaufskarte ziehen. Aber in der Karl-Marx-Allee haben Bezirk und Senat bereits gezeigt, dass ein anderes Modell möglich ist. Mit einem sogenannten gestreckten Erwerb können Mieter mit Hilfe der Investitionsbank Berlin ihre Wohnungen kaufen – und sie im selben Moment an eine Wohnungsbaugesellschaft weiterverkaufen. Diesen Vorschlag hat bereits Elena Poeschl von Kiezkonnektors ins Spiel gebracht, die den Häusern bei der Vernetzung hilft.

Auf einer Fachtagung soll demnächst auch über diese Möglichkeit diskutiert werden. Es wäre eine sehr pragmatische Lösung neben den symbolischen Drohungen, Wohnungsbesichtigungen zu sprengen. Auf keinen Fall aber sollte sie den Druck von der Bundespolitik nehmen. Das offene Scheunentor muss möglichst schnell geschlossen werden.

Uwe Rada