Kommentar von Sven-Michael Veit über Hamburgs Verfassungsschutz
: Die Augen rechts!

Der Verfassungsschutz suchte eine neue Legitimation für seine Existenz

Jetzt wird aber so was von Ernst gemacht. Mit einer Spezialeinheit will Hamburgs Verfassungsschutz dem Rechtsextremismus den Kampf ansagen. Volle fünf neue Mitarbeiter sollen neonazistische Strukturen und Vernetzungen, gar einschlägige Aktivitäten im Internet unter die Lupe nehmen. Das ging aber flott, Senator Grote.

Noch im vorigen Jahr konnte Amtschef Torsten Voß nicht die geringsten Erkenntnisse über das Morden des NSU in der Hansestadt bieten. Wie auch, seine Behörde hatte ja nie danach gesucht. Nun aber, 18 Jahre nach der Ermordung des Gemüsehändlers Süleyman Taşköprü in Bahrenfeld, nehmen sich die Verfassungsschützer aus der Backstein-Trutzburg am Johanniswall der Sache mit Nachdruck, so steht zu vermuten, an: Das wird aber ungemütlich für die Gestalten am rechten Rand.

Dabei hat sich kaum etwas geändert. Wie im Vorjahr werden gut 300 Personen, darunter 130 Gewaltbereite, dem Rechtsaußenspektrum zugerechnet – der NPD, der „Identitären Bewegung“ und der „Hamburger Burschenschaft Germania“ sowie ein eher „unstrukturierter“ Rest. Sie verübten 422 Delikte und damit sechs weniger als 2017, zumeist Volksverhetzung, Beleidigung und das Tragen verfassungswidriger Kennzeichen. Die Zahl der Gewalttaten, sämtlich Körperverletzungen, sank um vier auf elf, den niedrigsten Stand seit einem Jahrzehnt.

Warum also jetzt der plötzliche Aktivismus? Der Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Lübcke kann nicht schlüssig einen Bewusstseinswandel erklären, den der NSU nicht herbeiführen konnte; die immer wiederkehrende Forderung der Linken nach einem NSU-Untersuchungsausschuss in der Hamburger Bürgerschaft kann ebenfalls nicht die Ursache dafür sein.

Bleibt als einzige Möglichkeit, dass der Verfassungsschutz zwei Jahre nach G20 und angesichts recht geruhsamer Islamisten eine neue Legitimationsbasis für seine Existenz suchen und finden musste. Da bietet es sich momentan geradezu an, mal nach rechts zu blicken. Und sei es nur aus Marketinggründen.