Sophie Jungschaut sich in Berlins Galerien um
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Dass der Wettlauf zum Mond auch ein Wettlauf der Nationen war, manifestiert sich bis heute, fünfzig Jahre nach der ersten bemannten Mondlandung, in der ikonischen Aufnahme von Neil Armstrong bei seinen ersten Schritten auf dem Himmelskörper vor wehender amerikanischer Flagge. Erzen Shkololli collagierte 2001 kurzerhand die albanische Flagge in eine ähnliche historische Aufnahme und nimmt damit das Land an der Peripherie Europas in den Olymp der Raumfahrtnationen auf. Der albanische Kosovare Shkololli verballhornt mit dieser bildlichen Geschichtsrevision in der daadgalerie die Frage nach Nation und Repräsentation. Er ist einer von 20 Künstler:innen, die in der Gruppenausstellung „Deep- Sounding – History as Multiple Narratives“ nationale Narrative mit eigenen Geschichtsschreibungen hinterfragen (bis 11. 8., Di.–So. 12–19 Uhr, Oranienstr. 161).

Mayo Thompson scheint sich um Geschichtsschreibung nicht zu scheren, zumindest was seine eigene Person angeht. Die Biografie des US-Amerikaners ist sprunghaft: Er studierte ein bisschen Creative Writing, ein bisschen Recht, spielte in einer Band namens The Red Croyola, ist Musikproduzent und Buchautor. Seit 2012 malt und zeichnet er auch. Die oberen Räume der Galerie Buchholz behängte er genauso launenhaft wie es sein eigenes Leben zu sein scheint, mit Klein- und Großformatigem, mit naturstudienartigen Zeichnungen, wohl komponierter Flächenmalerei, naivlich wirkenden Figurenanordnungen sowie Bildern von Autos und Flugzeugen. Doch trotz künstlerischer Flatterhaftigkeit arbeitet Thompson an manch einer Stelle mit penibler Präzision. Punkiges Scheiß-drauf und hohe Konzentration kommen toll zusammen (bis 17. 8., Di.–Sa. 12–18 Uhr, Fasanenstr. 30).

Für das verborgene Innenleben der Leute interessierte sich 1963 Pier Paolo Pasolini, der in seiner Dokumentationsreihe „Ricerches“ Menschen auf Italiens Straßen nach ihrer Sexualität befragte. Sharon Hayes setzt Pasolinis Befragungsformat fort und konfrontiert in ihren Interviewdokus, die gerade in der Galerie Tanya Leighton zu sehen sind, Kinder und junge Erwachsene mit ganz naiv formulierten Fragen nach ihrer sexuellen Orientierung, Körperlichkeit und Reproduktion. Die meisten haben dabei selbst einen queeren Hintergrund. Hayes’Interviews offenbaren eine emotionale Landschaft der queeren Identitäten: Manche reagieren verletzlich, andere scheinen sich schon ein Leben lang für sich gerechtfertigt zu haben, so geschliffen und durchdacht sind ihre Antworten. (bis 4. 8., Di.–Sa. 11–18Uhr, Kurfürstenstr. 156).