Autofrei doch nicht so beliebt

Gewerbetreibende und Anwohner*innen kritisieren das kommende autofreie Quartier in Ottensen

„Wir sind ja nicht grundsätzlich dagegen, aber in der jetzigen Form ist das Unsinn“

Anette Kaiser-Villnow, Apothekerin in Ottensen

Von André Zuschlag

In knapp fünf Wochen soll das als „Ottensen macht Platz“ betitelte Pilotprojekt starten – doch auf einmal wächst die Kritik am autofreien Quartier. Anwohner*innen und Gewerbetreibende kritisieren Bezirks­amt und -politik für das Konzept. Denn ihre Kritik und ihre Vorschläge seien komplett überhört worden.

Ab dem 1. September ist der Autoverkehr für zunächst sechs Monate auf Teilen der Ottenser Hauptstraße und der Bahrenfelder Straße sowie auf zwei angrenzenden Straßen verboten. Rund 40 Gewerbetreibende und Anwohner*innen halten dieses Verbot jedoch für nicht sinnvoll. „Wir haben viele Vorschläge gemacht und Kritik geäußert, aber sie wurden nicht ernst genommen“, sagt die Apothekerin Anette Kaiser-Villnow. „Wir sind ja nicht grundsätzlich dagegen, aber in der jetzigen Form ist das Unsinn“, sagt sie.

So soll die Belieferung für die Geschäfte nur zwischen 23 und 11 Uhr erlaubt sein. Für die Apotheken-Betreiberin ist das ein Problem, denn eilige Arzneimittel könnten tagsüber dann nur schwierig transportiert werden. Auch Kund*innen anderer Geschäfte, etwa zur Möbelreparatur, müssten mit dem Auto vorfahren können. Für andere Gewerbetreibende bedeute der Zeitraum zusätzliche Nachtschichten.

Auch Anwohner*innen sind nicht zufrieden. „So, wie das bisher konzipiert ist, läuft alles falsch“, sagt Gisela Alberti. Zwar gebe es ohne Autos mehr Platz, sie befürchtet aber eine deutlich steigende Lärmbelästigung. „Nicht die Autos sind das Problem, sondern die jetzt schon vielen Leute, die abends ihr Feierabendbier trinken“, sagt Alberti. Hinzu würde dann noch mehr Lieferverkehr in der Nacht kommen. Auch die Interessen von älteren und gehbeschränkten Anwohner*innen würden vernachlässigt. „Der Ursprung des Konzepts war ja die Frage, wie man das Leben hier erträglicher machen kann. Das Gegenteil wird damit erreicht“, sagt Alberti.

Lars Boettger von den Grünen, der das Konzept mitinitiiert hat, ist weiterhin dafür. Ein Gespräch mit Kritiker*innen hält er aber für sinnvoll. „Diejenigen, die Kritik äußern, sind zwar nicht in der Mehrheit, aber man muss trotzdem für die Probleme Lösungen finden“, sagt Boettger – notfalls individuell.

Daran werde auch im Bezirksamt gearbeitet. „Die Möglichkeit von Ausnahmegenehmigungen wird geprüft“, sagt Sprecherin Sabine Nolte. In Abstimmung mit Polizei und dem Landesbetrieb Verkehr würden diese nun erarbeitet. „Wir finden Lösungen“, sagt Nolte.