Skandal in Berliner Flüchtlingsheim: „Außerordentlich bedauerlich“
Eine Geflüchtete hat eine Fehlgeburt, nachdem der Sicherheitsdienst in ihrem Heim keinen Krankenwagen rufen will. Jetzt äußert sich der Betreiber.
Nach Bekanntwerden eines Skandals in einer Berliner Flüchtlingsunterkunft hat sich jetzt auch der Betreiber des Heims, die Arbeiterwohlfahrt (AWO), zu dem Fall geäußert. Am Montag war öffentlich geworden, dass sich zwei Mitarbeiter des Sicherheitsdiensts einer Unterkunft in Lichtenberg geweigert hatten, für eine hochschwangere, unter Schmerzen leidende Frau einen Krankenwagen oder ein Taxi zu rufen. Nachdem die Frau daraufhin den Weg ins rund drei Kilometer entfernte Krankenhaus zu Fuß und mit der Straßenbahn zurücklegen musste, hatte sie dort eine Fehlgeburt. Ein medizinisches Gutachten soll jetzt klären, ob das Kind bei einem früheren Eintreffen im Krankenhaus hätte überleben können. Gegen die beiden Mitarbeiter wurde eine Strafanzeige wegen unterlassener Hilfeleistung gestellt.
„Das ist ein außerordentlich bedauerlicher Fall“, sagte Manfred Nowak, Vorsitzender des zuständigen AWO-Kreisverbands Berlin-Mitte, am Dienstag der taz. Die AWO sei am Tag nach dem Ereignis von der Heimleitung informiert worden und habe sofort Konsequenzen gezogen: Die Firma G&S – Gebäude- und Sicherheitsservice, die als Subunternehmen für die Unterkunfts-Security zuständig ist, sei aufgefordert worden, personelle Konsequenzen zu ziehen.
Zwei Tage später seien die Mitarbeiter in eine andere Unterkunft versetzt worden. Außerdem sei das junge Ehepaar, das erst seit wenigen Monaten in Berlin lebt, über psychologische Betreuungsangebote aufgeklärt worden. „Wir haben auch die sozialarbeiterische Betreuung intensiviert“, so Nowak. Das Paar ist mittlerweile auf eigenen Wunsch in ein anderes Heim umgezogen.
Bei der Firma G&S war am Dienstag niemand für eine Stellungnahme zu erreichen. Laut Manfred Nowak hätten die beiden Sicherheitsmänner klar gegen interne Vorschriften verstoßen: „Es ist festgelegt und wird auch so kommuniziert, dass bei besonders schutzbedürftigen Personen, also auch bei Schwangeren, im Zweifelsfall der Rettungsdienst verständigt werden muss.“ Da sich der Vorfall in der Nacht ereignete, seien keine AWO-MitarbeiterInnen im Heim gewesen. Die Sicherheitsmänner hätten ihr Verhalten seines Wissens nach auf Verständigungsprobleme zurückgeführt sowie darauf, die Situation so eingeschätzt zu haben, dass keine Notwendigkeit für einen Krankenwagen oder ein Taxi bestehe, so Nowak.
Wie in Folge der Berichterstattung mehrere ehemalige MitarbeiterInnen verschiedener Heimbetreiber der taz berichteten, wird der Umgang mit Rettungseinsätzen in vielen Heimen unterschiedlich gehandhabt: Während es in manchen klare Anweisungen gebe, wann der Rettungsdienst oder etwa der kassenärztliche Notdienst zu verständigen seien, müssten sich MitarbeiterInnen in anderen Heimen für jeden gerufenen Einsatzwagen bei der Heimleitung rechtfertigen. Der Berliner Flüchtlingsrat fordert, dass das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) schon in den Qualitätsrichtlinien für Sicherheitsdienstleister entsprechende Weisungen festschreiben müsse.
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