Harald Keller
Der Wochenendkrimi
: Der Stil: rau. Der Blech- und Personenschaden: immens. Die moralische Botschaft: keine

Ein Abschleppdienstbesitzer als Produzent, Autor, Regisseur und Hauptdarsteller – kann das gutgehen? Foto: TMG/Tele 5

Über die Jahre wurde das Auto auf der Leinwand zu einem wichtigen Werkzeug der Verbrechensbekämpfung. In „Bullitt“ hefteten sich 1968 Auftragsmörder an die Stoßstange des Helden. Der drehte den Spieß um, nun scheuchte sein Ford Mustang die Verbrecher. Eine rasante Sequenz, die Schule machte. Meist mit klarer Positionierung: vorn die flüchtigen Kriminellen, hintendran die Vertreter der vom Publikum gewünschten Ordnung.

So gehörte es sich, bis der kalifornische Abschleppdienstbesitzer H. B. Halicki in den 70ern den Entschluss fasste, selbst einmal als Produzent, Autor, Regisseur und Hauptdarsteller tätig zu werden. Als Thema wählte er etwas, womit er sich auskannte: Autos. Den knappen Plot gab es zum Leidwesen des Cutters nur als Skizze: Eine Bande gewiefter Autodiebe soll binnen fünf Tagen für einen südamerikanischen Drogenfürsten 48 Luxus­autos stehlen. Herauskam „Gone in 60 Seconds“, deutscher Titel: „Die Blechpiraten“.

Halicki etabliert weniger die Charaktere als vielmehr deren Handwerk. In diesen semidokumentarischen Passagen ist „Gone in 60 Seconds“ – länger benötigen die Autoknacker nicht – von einer raren Wahrhaftigkeit. Die Sprüche sind so echt wie die Schmiere auf den Handschuhen. Die anvisierten Fahrzeuge bekommen der Tarnung wegen Frauennamen. Am Ende fehlt noch „Eleanor“, ein Ford Mustang. Bandenchef Pace (Halicki) kümmert sich selbst um die Beschaffung. Doch die Polizei wartet schon.

Im Rest des Films geht es in wilder Raserei durch den Raum Long Beach, mit reichlich Blech und, daraus macht Halicki, anders als manch naive Hollywoodproduktion, keinen Hehl, auch Personenschaden. Rau ist das Werk, ohne moralische Botschaft, ruppig, nach Guerilla-Methode teils ohne offizielle Genehmigung entstanden. Halicki führte fast alle Stunts selbst durch und zog sich dabei unter anderem eine Rückenwirbelverletzung zu.

Der Film, leider im saloppen Stil der 70er synchronisiert, wurde vor allem in den US-Autokinos vermarktet und war ein Riesenerfolg. Während der Arbeit an einer Fortsetzung erlitt Halicki einen tödlichen Unfall. Nicht auf dem asphaltierten Feld der Ehre, er wurde von einem Mast erschlagen. Dominic Sena, einst Halickis Kameraassistent, drehte 2000 ein hoch budgetiertes Remake mit Nicholas Cage und Angelina Jolie. Die Alternative für Freunde verkehrsberuhigter Programmzonen: ARD One wiederholt um 21.45 Uhr die „Tatort“-Folge „Stau“.

„Die Blechpiraten“, So., 21. 7., 22.30 Uhr, Tele 5