Mit wasserfreiem Waschen ins Jahr 2050

KLIMASCHUTZ Lediglich 0,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts mehr müssten investiert werden, damit die Bundesrepublik ihr Klimaziel schafft. Pro-Kopf-Ausstoß könnte demnach auf 0,3 Tonnen jährlich sinken

BERLIN taz | Im Jahr 2050 lebt Deutschland nahezu klimaneutral: Atom- und Kohlekraft sind kein Thema mehr, der Strom wird fast ausschließlich aus erneuerbaren Quellen gewonnen. Energieeffizienz zeigt sich auch im Alltag: Gekocht wird daheim am energiesparenden Induktionsherd, gewaschen mit wasserfreien Waschmaschinen, und die Energiesparlampe ist längst von LED-Leuchten abgelöst worden.

Diese Vision der Umweltstiftung WWF ist nicht einmal teuer: Lediglich 0,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts müssten jährlich mehr ausgegeben werden, um den Treibhausgasausstoß bis 2050 um 80 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren – das erklärte Klimaziel der Bundesrepublik. Allerdings: Werden diese 0,3 Prozent nicht zusätzlich investiert, wird Deutschland das Ziel verfehlen: Gerade einmal 45 Prozent Reduktion sind bei einem „Weiter so“ zu erreichen.

„Modell Deutschland“ heißt die 500-seitige Studie, die im WWF-Auftrag Prognos AG und Öko-Institut erarbeiteten. „Union und FDP entscheiden derzeit nicht nur über die Politik der nächsten vier Jahre, sondern über unsere Zukunft“, sagt Felix Matthes vom Öko-Institut.

Folgt man dem „Navigationssystem“ der Studie durch den Energie- und Gebäudesektor, Verkehr, Landwirtschaft und Industrie, könnte der Kohlendioxidausstoß pro Kopf von derzeit 11 Tonnen jährlich auf 0,3 Tonnen sinken. 2050 könnten demnach 83 Prozent der Stromerzeugung aus regenerativen Quellen gedeckt werden. Auf Deutschlands Straßen würden dann zu 80 Prozent Elektro- oder Hybridautos fahren. Neben der Verlagerung des Güterverkehrs sollen auch nachhaltige Biokraftstoffe die Treibhausgase reduzieren.

Entscheidend sei bei allen Maßnahmen „die Rechtzeitigkeit“, so Matthes: Mit längeren AKW-Laufzeiten und ohne ein Moratorium für neue Kohlekraftwerke werde der Weg zum CO2-freien Deutschland bis 2050 unwiederbringlich verlassen. „Wird jetzt nicht in neue und intelligente Stromnetze investiert, sind weder Offshore-Windparks noch Elektromobilität rechtzeitig auf den Weg zu bringen“, so Almut Kirchner von Prognos.

„Mit den bislang beschlossenen Maßnahmen wird Deutschland sein Reduktionsziel dramatisch verfehlen“, urteilt auch WWF-Klimaexpertin Regine Günther. Eine „runde“ Klimapolitik sei erforderlich, nicht in einem neuen Klimaschutzministerium, wie von manchen Politikern der Union oder FDP gefordert, sondern „in jedem einzelnen Ministerium“. SARAH MESSINA