Projekt „Benching Berlin“: Stadtmöbel für alle zum Nachbauen
Nach Urban Gardening der neue Trend: selbst gebaute Bänke. Benjamin Kies und Bella Berger sind die Vorreiter. Demnächst mit Bauanleitung im Netz!
Diese Geschichte zeigt mal wieder: Wer soziale Medien lesen kann, ist klar im Vorteil. Schon vor Wochen habe ich mich gefragt, welcher guter Geist die kleine Holzbank an der Umzäunung am Neuköllner Weigandufer angebracht hat, eigentlich ist es eher ein Brett, das waagerecht an Ketten hängt, so dass man dort jetzt schön mit Blick aufs Wasser fast direkt an selbigem sitzen kann, sofern man sich traut, über die Absperrung zu klettern. Hätte ich mal auf Instragram nach #urbangardening #woodworking #neukoelln gesucht, hätte ich es längst gewusst: Benching Berlin war's.
Inzwischen ist die Sache – typisch Berlin – ein regelrechter Trend geworden: Die Papier-Medien schreiben darüber, die Follower-Zahlen der Hobby-Schreiner steigen quasi stündlich. Entsprechend frohgemut verkünden die beiden Macher Benjamin Kies (31) und Bella Berger (33), sie würden jetzt auch andere Stadtteile, zunächst mal Wedding und Prenzlauer Berg, mit ihren selbst gezimmerten Bänken beglücken. Dafür bitten sie seit Donnerstag ihre Insta-Gemeinde um Vorschläge: „You know that perfect benching spot? Write us!“
Angefangen hat alles vor zwei, drei Jahren, erzählt Kies am guten, alten Telefon. „Meine damalige Wohnung hatte keinen Balkon, keinen Garten, also habe ich eine Bank gebaut, damit man vor der Tür sitzen und ein Bierchen mit Freunden trinken kann.“ Das sei auch bei Nachbarn gut angekommen. Er habe dann immer wieder für Freunde eine Bank gebaut – aus Sperrholz, Holzresten, was man so rumliegen hat.
Anfang März habe er dann zusammen mit Bella Berger beschlossen, mehr dieser Art zu machen – und einen Instagram-Account eröffnet. Warum? „Als informeller Antrieb für uns, aber auch um Leute außerhalb unseres Kiezes zu erreichen. Wir hoffen, dass andere die Idee aufgreifen.“
Öffentlichen Raum erobern
Die ist tatsächlich bestrickend: kleine Fleckchen öffentlichen Raums mit Sitzgelegenheiten zu erobern, so dass sich Menschen an schönen Orten niederlassen können, ohne gleich im nächst gelegenen Gastrobetrieb etwas konsumieren zu müssen. Denn die städtischen Bänke, das weiß ja jedeR, stehen oft gerade nicht da, wo man sie braucht – oder sind kaputt oder besetzt.
Apropo kaputt: Vandalismusschäden beobachte man bislang wenig, erzählt Kies. Sie gingen ihre Bänke regelmäßig ab, müssten auch mal ein Brett austauschen, „aber die Leute kümmern sich auch selbst, reparieren Schäden, pflanzen Blumen drumherum. Das ist ganz schön zu beobachten.“
Wer sich jetzt inspiriert fühlt: Auf Instagram zeigt Kies in einem Video, wie man mit wenigen Brettern eine Bank selber bauen kann. Die Bauanleitung soll bald folgen.
Überraschenderweise gibt es bislang noch nicht einmal Ärger mit den Ämtern wegen der guerillaartigen Aneignung urbanen Raums. So lange Verkehr und Pflanzen nicht gefährdet würden, zitiert die Berliner Zeitung einen Sprecher des Bezirksamts Neukölln, habe man nichts dagegen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!