berliner szenen
: Scheiße der prätentiösen Art

Eine leichte Brise spielt an dem angenehm kühlen Sommermorgen mit den Schlafzimmervorhängen. Blinde Passagiere auf den Schwingen des Windes, quetschen sich die Töne eines Saxofons, wohl vom nahen Grünstreifen her kommend, durch den Spalt des gekippten Fensters. Ein Stück reiht sich ans andere, es klingt gekonnt, sphärisch.

Gniedel, gniedel, tröt. Qualitativ ist das ein frappierender Unterschied zu den Dilettanten mit Gitarre und Schlagzeug, die hier sonst für schlechte Laune bei den Anwohnern und Jubel bei den Idioten sorgen – Handlanger des Lärms, die ihre Unfähigkeit mit Lautstärke zu kompensieren trachten, wie ein überforderter Mathelehrer vor seiner Klasse. Im Vergleich dazu klingt das hier im ersten Moment sehr gut, ist aber leider ebenfalls Scheiße, nur halt der prätentiösen Art. Denn wer ist diese anmaßende Kanaille, dass sie mal eben über unsere Weckzeit verfügt, die nun gezwungenermaßen lautet: sieben Uhr früh an einem Samstagmorgen. Was für eine Vollmeise muss das Arschloch haben?

Wahrscheinlich wähnt es sich in einem Schwarzweißstreifen, Alte Berliner Schule à la „Du mich auch“ oder „Der Himmel über Berlin“. Aber das Leben ist kein Film und vor allem ist sein Film nicht unser Leben, sondern höchstens unser Albtraum. Das ist kein Arthouse, sondern bestenfalls „Spreequell“-Reklame, noch eher jedoch ist es Ruhestörung. An dieser Stelle nun obligatorischer Auftritt kokswaches Kid, 25, aus Hannover, seit zwei Jahren hier: Dann möge man halt wegziehen, wenn man die Stadt nicht vertrage. Ich aber finde: Soll doch besser derjenige, den die Stadt so verwirrt, dass er Drinnen und Draußen, Tag und Nacht, Kunst und Kacke dermaßen durcheinanderbringt, dahin zurückziehen, wo er herkommt, und dort im Wald weiterüben. Da stört er keinen. Uli Hannemann