Gut gemixte Energieträger

CrossArt in Bonn. Der Frankfurter Kunstprofessor Jean-Christophe Ammann wühlte sich durch Depots von zehn deutsch-niederländischen Museen. Er fand zahlreiche Klassiker, die nach Hängung schrien

AUS BONNPETER ORTMANN

Tief unten in den Kellern der Museen stehen Kunstwerke und jammern. Oder sie hängen jahrein jahraus an ihrem Platz, nur die prüfenden Augen der Besucher bringen Abwechslung. Jean-Christophe Ammann gibt den Werken von Van Gogh bis Beuys, von Polke bis Katharina Fitsch eine neue Chance. Lässt sie ihren Platz und ihren Raum selbst bestimmen. „Die Werke haben immer recht“, sagt er. Ein Konzept brauche er dafür nicht, so der Frankfurter Kunstprofessor. „Ich habe die Räume an einem Abend im letzten Dezember in Miami aufgezeichnet“. Das war‘s.

Das NRW-Label „Crossart“ machte das möglich. Zehn Museen vom Niederrhein und der benachbarten niederländischen Grenzregion realisieren in der Bonner Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland die gemeinsame Ausstellung „Van Gogh bis Beuys“ und ließen dafür Ammann in ihre Keller. Der schaufelte berühmte Schlüsselwerke und lange Übersehenes ans Tageslicht. „Ein erotisches Abenteuer war das“, sagt er „unendlich dankbar“. Nur manchmal hätte ein Restaurator die rote Karte gezeigt, das Werk blieb dann in seiner klimatisierten Umgebung und musste weiter leiden.

Mit 140 Arbeiten füllte der Kurator 13 Räume. Überlegte in Miami, welches Bild wohl nicht mit einem anderen könne oder unbedingt mit genau dem zusammen hängen wolle. Jetzt atmen Besucher und Arbeiten gemeinsam, Amman schafft neue Zusammenhänge, schert sich kaum um Entstehungsjahr oder kunsthistorische Schubladen. Er arbeitet wie ein Diskjockey. Der Besuch soll die Augen tanzen lassen und ein sinnliches Vergnügen sein. Die Bilder strahlen dafür ihre Energie ab. „Vielleicht lästern aber auch die Werke“, lacht er über seine Austellungslogik. Dazu hält er im Oktober den Vortrag: „Der Ausstellungsmacher als Heiratsvermittler (auf Zeit)“.

Gleich hinter dem Eingang soll Gilberto Zorios „Evviva“ von 1974 einen karthartischen Schock auslösen. 3.000 Watt aus 12 Strahlern, dazu vier Speere sollen die Augen reinigen, bevor sie über die folgenden Wände der installierten Räume wandern können. Da hängt Willi Baumeister zusammen mit Sigmar Polke und Max Ernst. Und selten gesehene kleine Arbeiten vom großen Vincent aus Otterlo konkurrieren mit Bronze-Skulpturen von Lucio Fontana und Arbeiten von Ansuya Blom aus Nimwegen. Es ist wichtig, sich auf die Haltung von Ammann zur Kunst einzulassen und sein erzeugtes „energetische Phänomen“ wirken zu lassen, dann wird das ein sehr sinnlicher Rundgang.

Für Christian Gänsicke von der Crossart-Lenkungsgruppe ist eher die neue Vermarktungslücke entscheidend. Er spricht von Ammanns Kunstgenuss als „Destination“ für Reiseveranstalter. 2002 galt die Crossart als gescheitert, juristische und museale Probleme und die fehlende Finanzierung brachten das Aus. Dann habe das NRW-Kulturministerium das medienwirksame Projekt für sich entdeckt und erneut mit Landesförderung auf den Weg gebracht. Doch nur bis 2006 ist die Zusammenarbeit der zehn Museen im Euregio-Kontext finanziell gesichert.

Bis 6. November 2005