SPD findet Abschiebepolitik zu lau

Senator Nagel ist „als Hardliner peinlich gescheitert“, meint die SPD-Opposition. Denn Hamburg vermerkt immer weniger Abgeschobene und zugleich mehr Ausreisepflichtige

In Hamburg ist die Zahl der von Abschiebung bedrohten Flüchtlinge gestiegen. Ende Juni hatten 12.466 Menschen nur den wackeligen Duldungsstatus, der sie als ausreisepflichtig einstuft. Ende 2004 waren es mit 11.707 noch 759 Kinder, Frauen und Männer weniger gewesen nach 11.884 in 2003. Dies geht aus einer jetzt vom Senat beantworteten großen Anfrage der SPD zur Umsetzung des Zuwanderungsgesetzes hervor. Weil die Zahl der Abschiebungen zugleich gesunken ist, reklamiert die SPD-Opposition einen „Stillstand bei der repressiven Seite des Ausländerrechts“. Die GAL-Fraktion warf der SPD und der regierenden CDU gestern vor, um den „Titel des Abschiebehardliners zu wetteifern“.

Die größte Gruppe unter den Geduldeten stellen mit aktuell 2.620 die Afghanen, gefolgt von Flüchtlingen aus Serbien und Montenegro. Der stärkste Anstieg der Ausreispflichtigen gegenüber Ende 2004 ist mit 327 Personen wiederum bei den Afghanen zu verzeichnen. Der Grund ist die Beendigung des Abschiebestopps im April. Von 120 auf 232 nahezu verdoppelt hat sich die Zahl der nach Guinea Abzuschiebenden. Im März waren in einem umstrittenen Verfahren mehr als hundert Papierlose als Guineer identifiziert worden (siehe Text rechts).

Weil in der ersten Jahreshälfte 2.375 Geduldete Anträge auf Aufenthaltserlaubnis stellten, jedoch nur die Hälfte bisher entschieden wurde, sieht die SPD einen „Entscheidungsstau“ in der Ausländerbehörde. „Es ist brutal und verantwortungslos, die Menschen hinzuhalten“, rügte die Abgeordnete Aydan Özoguz.

Ihr Parteigenosse Andreas Dressel kritisierte derweil, dass die Zahl der Abschiebungen zurückgegangen ist – laut Senat von 1.385 im ersten Halbjahr 2003 auf 891 im ersten Halbjahr 2005. Der SPD-Innenpolitiker macht dafür „handwerklichen Murks“ verantwortlich: Innensenator Udo Nagel (parteilos) „ist als Abschiebehardliner peinlich gescheitert“. Wer Menschen abzuschieben versuche, die „nicht mal einen Asylerstantrag gestellt haben, muss sich nicht wundern, wenn die Zahl der Rückführungen sinkt“. Dressel verlangte, „wo die Voraussetzungen vorliegen, konsequent abzuschieben“.

GALierin Antje Möller warf der SPD vor, wie die CDU die Abschiebeproblematik auf Zahlen zu reduzieren und die Menschen dahinter zu vergessen. In viele Länder könne nicht abgeschoben werden, weil dort Verfolgung herrsche. Möller: „Man kann der Ausländerbehörde vieles vorwerfen, nur keinen Mangel an repressiven Anstrengungen.“

Die Behörde selbst begründete den Rückgang der Abschiebungen mit der EU-Erweiterung. Auch seien Abschiebungen auf den Balkan „schwieriger geworden“, so eine Sprecherin, weil vielen Flüchtlingen aus Ex-Jugoslawien Papiere fehlten und sie keinem Land „zugeordnet“ werden könnten. EVA Weikert