Gabriele Lesser über das Verfahren gegen Polen beim EuGH
: Hoffen auf Luxemburger Richter

Frei und unabhängig“ ist eigentlich jeder Pole. Das gehört zum eigenen Selbstverständnis. Dass eine Zwangsverrentung von Richtern nicht nur diesem Prinzip widersprach, sondern auch gegen EU-Recht wie auch gegen die eigene Verfassung verstieß, dürfte Polens regierenden Nationalpopulisten von Anfang an klar gewesen sein.

Doch nun mussten sie sich im Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg einmal mehr sagen lassen, dass sie mit ihrer Justizreform nicht nur gegen das Prinzip der Unabhängigkeit und Unabsetzbarkeit der Richter, sondern auch gegen das Verbot der Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes verstoßen hatten. Der Umbau des polnischen Justizsystems, so Evgeni Tanchev, einer der Generalanwälte am EuGH, sei unvereinbar mit EU-Recht. Das Urteil wird in naher Zukunft erwartet.

Die seit 2015 allein regierende Recht und Gerechtigkeit (PiS) hatte den Polen den Rückbau von Demokratie und Rechtsstaat und die Aufhebung der Gewaltenteilung als angebliche Abrechnung „mit den Kommunisten“ verkauft. Auch die Nachrichtensendungen des PiS-Fernsehens rechtfertigten so die Politisierung der Justiz. Die Zwangsverrentung – mit 65 Jahren bei Männern, mit 60 Jahre bei Frauen – ermöglichte den Rauswurf von erfahrenen und unabhängigen Richtern, ohne dass es wie eine Entlassung aussah.

Die auf ihren Posten verbliebenen Richterinnen und Richter sollen durch eine neu geschaffene große „Disziplinarkammer“ auf Linie gebracht werden. Zwar solidarisierten sich viele Polen in größeren Städten mit den Richtern und demonstrierten vor den Gerichten, doch die Masse der Bürger schien nicht zu verstehen, worum es eigentlich ging: Sollte es der PiS gelingen, den eingeleiteten Justizumbau zu Ende zu bringen, wird es bald wieder vorbei sein mit der „Freiheit und Unabhängigkeit“ der Polen.

Da Polens Opposition zurzeit zu schwach ist, um das Land vor dem Rückfall in einen Unrechtsstaat zu retten, bleibt Polen nur die Hoffnung auf die Europäische Kommission und den Europäischen Gerichtshof in Luxemburg.