WAHLKAMPF: PLÖTZLICH IST MEHR GELD FÜR OST-ARBEITSLOSE DA
: Eine Hand voll Euro

So schnell kann’s gehen: Bis zum Juni war es für den Kanzler schier unmöglich, den Arbeitslosen in Ost und West gleiches Arbeitslosengeld II zu versprechen. Zu teuer. Außerdem lebt sich’s im Osten doch billiger. Mit dem „Wahlmanifest“ im Juli war das Gegenteil plötzlich beschlossene Sache – für die angestrebte nächste Regierungsperiode, versteht sich. Und gestern fand Gerhard Schröder nun, die Ossis verdienten sofort eine Zusage: Noch im August soll das Kabinett beschließen, dass die mit 345 Euro West und 331 Euro Ost bislang unterschiedlichen Regelsätze auf einheitliches Westniveau angehoben werden.

Was für eine wundervolle Möglichkeit, die Unions-Kanzlerkandidatin Angela Merkel vorzuführen. Die muss sich jetzt überlegen, ob und wie oft sie dazu jetzt noch Nein sagt. Aber auch: Was für eine widerwärtige Art, damit zu spielen, dass es für Arbeitslose sehr wohl auf ein paar Euro pro Monat ankommt. Denn was Schröder jetzt als Akt der Großzügigkeit verkauft, ist gleichzeitig ein Akt der Bloßstellung: Ihr bekümmert euch so sehr wegen 14 Euro im Monat? Also bitte, dann zeige ich euch, wie man 260 oder 300 Millionen Euro aus dem Ärmel schüttelt. Auch handelt es sich hierbei um denselben Kanzler derselben Partei, dem zur Abgrenzung von Oskar Lafontaine und Gregor Gysi nicht wesentlich mehr einfällt, als ihnen „Populismus“ vorzuwerfen.

Wie weit jedoch die Behauptung der CDU trägt, sie wolle jetzt ganz unpopulistisch mit richtigen Daten zu harten Themen Wahlkampf machen, erwies sich gestern: Die rot-grüne Arbeitslosigkeitsbilanz werde man „ehrlich“ ziehen, erklärte der Unions-Wirtschaftsexperte Ronald Pofalla. Wie die Union aber die Statistik anschließend „ehrlicher“ machen will, ließ er ausdrücklich offen. „Sachlichkeit“ und „Ehrlichkeit“ der Union sollen also rot-grünes Versagen belegen – mehr nicht.

Den Arbeitslosen im Osten bleibt ein Trost: Zwar muss Schröder für sein Versprechen nicht mehr selbst bezahlen. Eine neue Regierung aber wird kaum noch daran vorbeikommen, die Regelsätze zu verändern. ULRIKE WINKELMANN