Er will doch nur ein bisschen Frieden

Beim Wahlkampfauftritt in Dresden erneuert Schröder seine Haltung zum Irankonflikt. SPD-Chef Müntefering unterstützt ihn. Die Opposition reagiert konfus: Während CDU-Fraktionsvize Schäuble den Kanzler attackiert, vertritt Merkel Schröders Linie

AUS BERLIN RALPH BOLLMANN

Wahlkampf? Nein, der Bundeskanzler macht mit der Angst vor einem drohenden Irankrieg doch keinen Wahlkampf! Alles andere, findet SPD-Chef Franz Müntefering, sei eine „böswillige Interpretation“. In seiner Hannoveraner Wahlkampfrede vom Wochenende habe Schröder keineswegs den US-Präsidenten George W. Bush persönlich kritisiert, erklärte Müntefering gestern früh im Radio. „Der Kanzler hat nicht jemand Bestimmtes angesprochen, sondern hat generell deutlich gemacht, dass wir Friedensmacht sein wollen.“

Unklar blieb demnach, an wen Schröder am Samstag seine Worte gerichtet hatte. „Nehmt die militärischen Optionen vom Tisch“, erklärte er in Niedersachsen, „wir haben erlebt, dass sie nichts taugen.“ Beobachter fühlten sich, offenbar völlig zu Unrecht, an jene Goslarer Rede von 2002 erinnert, als Schröder überraschend den drohenden Irakkrieg zum Wahlkampfthema gemacht und nicht zuletzt damit eine verloren geglaubte Bundestagswahl gewonnen hatte.

Auch Regierungssprecher Thomas Steg versuchte gestern, den Eindruck zu entkräften, der Bundeskanzler wolle die Iranpolitik bewusst für den Wahlkampf benutzen. Die Themen, die in der politischen Auseinandersetzung angesprochen würden, könne man sich nicht aussuchen. „Sie sind vorhanden, sie ergeben sich, sie entwickeln sich.“

Die Union reagierte auf Schröders jüngsten Wahlkampfcoup wie immer in diesen Tagen: konfus und widersprüchlich. Fraktionsvize Wolfgang Schäuble feuerte in einem gestern erschienenen Zeitungsinterview noch frontal auf Schröder: „Der Bundeskanzler erweckt in Teheran den fatalen Eindruck, dass die Weltgemeinschaft nicht mehr geschlossen ist. Damit nimmt er in Kauf, dass die Gefahr einer iranischen Atombombe wächst.“ Aus Wahlkampfgründen handele Schröder unverantwortlich. „Er tut wider besseres Wissen so, als läge das Problem nicht in Teheran, sondern in Washington.“

Allerdings müsste Schäuble die Kanzlerkandidatin seiner eigenen Partei gleich mit kritisieren: Wie der Stern vorab bekannt gab, spricht sich Angela Merkel in der kommenden Ausgabe des Magazins auch ausdrücklich gegen einen Militäreinsatz aus – der Konflikt müsse mit friedlichen Mitteln gelöst werden. CDU-Generalsekretär Volker Kauder klang denn auch gestern im Laufe des Tages sehr viel versöhnlicher als Schäuble. „Es gibt da gar keinen Streit. Wir unterstützen die Bundesregierung darin, dass sie geschlossen mit den Europäern dafür sorgt, dass wir eine diplomatische, eine politische Lösung im Iran erreichen“, sagte Kauder. „Es ist überhaupt keine andere Alternative auf dem Tisch. Es gibt keine militärische Option.“ Kauder sagte weiter, das Thema eigne sich nicht für den Wahlkampf. „Wir müssen alle zusammenstehen und dem Iran klar und deutlich machen, dass wir das, was er vorhat, nicht akzeptieren können.“

Damit war Kauder dann wieder ungefähr dort angekommen, wo auch der Bundeskanzler vor gut einer Woche schon einmal war. Damals lehnte Schröder im Sommerinterview des „Berichts aus Berlin“ noch jede Stellungnahme zum Thema ab. „Niemand denkt zurzeit über eine militärische Auseinandersetzung nach“, erklärte er den beiden ARD-Interviewern. „Deswegen sollte man das auch niemandem unterstellen, indem man auf eine hypothetische Frage antwortet.“

Bei einem Wahlkampfauftritt gestern Abend in Dresden bezog Schröder nun erneut Stellung. Er sei froh, dass auch seine CDU-Konkurrentin Angela Merkel auf diese Linie eingeschwenkt sei, sagte er. „Militärische Optionen helfen nicht weiter!“ Niemand könne indessen ein Interesse daran haben, dass im Iran Atomwaffen produziert werden. Schröder bekräftigte erneut die deutsche Eigenständigkeit bei der Entscheidung, wann und wo man bei internationalen Konflikten eingreifen wolle. Wie sagte der Regierungssprecher: Die Wahlkampfthemen, sie entwickeln sich.